Der Wind der Erinnerung
roch, wenn er aus der Dusche kam, wie genau sein Lachen geklungen hatte …
Monica wurde still, und ich fragte mich, ob es an der Sache mit Josh lag. Wir tranken schweigend unseren Kaffee, und ich holte einige Tanztrophäen hervor. Mum hatte keine Auswahl getroffen, sondern wirklich alles geschickt.
»Hast du eine Ahnung, wo ich die alle hinstellen soll?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nicht.«
»Normalerweise hast du so gute Ideen.«
Sie stand auf. »Ich mache die Küche sauber«, sagte sie knapp.
Ich schaute von dem Foto zu Monica. Sie benahm sich, als wäre sie eifersüchtig. Dann fiel der Groschen. Sie war
tatsächlich
eifersüchtig, und zwar stellvertretend für Patrick. Dazu fiel mir nichts ein, also schwieg ich. Einerseits hätte ich sie gern beruhigt, wollte aber nicht lügen. Natürlich liebte ich ihn noch. Das glaubte ich jedenfalls. Aber ich wollte das Thema nicht ansprechen und tat, als hätte ich ihren Zorn nicht bemerkt.
Doch innerlich verfluchte ich mich, weil ich nicht auf meinen Instinkt gehört und mich mit Leuten angefreundet hatte. Die Menschen waren so kompliziert und unberechenbar.
Ich selbst eingeschlossen.
Wenn ich bis acht Uhr am Samstagabend wartete, bestand die Chance, Onkel Mike in angesäuseltem Zustand zu erwischen. Er trank gerne Bier, aber nur am Wochenende.
Onkel Mike lebte allein. Meine Tante Donna hatte ihn verlassen, als ich noch sehr klein war, und er hatte seither eine Reihe von Freundinnen gehabt, sich aber auf nichts Festes eingelassen.
»Onkel Mike?«, fragte ich, als er sich meldete. »Hier ist Emma.«
»Meine Lieblingsnichte!«, dröhnte er. »Hab gerade ein paar Bier getrunken. Warum kommst du nicht vorbei?«
»Ich bin in Tasmanien.«
»Immer noch? Das hat mir Louise gar nicht erzählt.«
»Es ist viel mehr Arbeit, das Haus aufzuräumen, als ich dachte.«
»Du solltest jemanden dafür bezahlen, es verkaufen und dir von dem Geld eine schöne, kleine Wohnung in Sydney leisten. Ich kenne da eine Dame, die in Immobilien macht. Sie kann dir sicher etwas besorgen.«
Ich ließ ihn reden, damit er sich aufwärmen konnte. Ich liebte meinen Onkel Mike, aber er war ein furchtbarer Besserwisser. Endlich holte er lange genug Luft, und ich nutzte die Gelegenheit. »Hey, Onkel Mike, was weißt du eigentlich über Grandmas Leben hier unten?«
»Schafe.«
»Außerdem, meine ich. Ihr Privatleben. Hat sie allein gelebt?«
Ich hörte ein leises Kratzen und vermutete, dass sich Onkel Mike das Stoppelkinn rieb: ein gutes Zeichen. Das tat er meistens, bevor er etwas enthüllte, das eigentlich nicht bekannt werden sollte. »Nun, ich weiß nicht so genau. Warum fragst du?«
»Weil ich hier ständig Sachen in ihren Kisten finde, aus denen ich nicht schlau werde. Und ich frage mich, ob sie einen besonderen … Freund hatte.«
»Überraschen würde es mich nicht. Ich weiß nichts Genaues, aber als ich etwa sechzehn war, habe ich einen Streit zwischen deinen Großeltern belauscht.«
»Und?«
»Ich weiß noch, wie er leise zu ihr sagte: ›Du verschweigst mir etwas, Beattie‹, und sie hat nicht geantwortet. Dann sagte er: ›Wenn mir etwas, das du in der Vergangenheit getan hast, um die Ohren fliegen kann, muss ich es wissen.‹ Aber sie hat ihm auch dann nicht geantwortet.«
Gewiss hatte er das mit den Ohren nicht gesagt, Onkel Mike schmückte die Geschichte etwas aus. Doch mein Interesse war geweckt. »Ehrlich?«
»An den genauen Wortlaut kann ich mich nicht erinnern, aber sie hatte ihm etwas über ihre Vergangenheit verschwiegen, und er machte sich deswegen Sorgen. Er wirkte angespannt. Das war kurz vor der Wahl 1966 , und es sah sehr knapp für ihn aus. In diesem Jahr hat er es nur so gerade eben geschafft, den Sitz zu halten.«
»Was kann er denn wohl gemeint haben?«
»Ich weiß es wirklich nicht, Em. Anfang des Jahres war Mum eine Weile verreist, allein nach Tasmanien. Dad hat uns nicht erzählt, was los war, aber Louise und ich haben es so verstanden, dass es eine Trennung auf Probe sein sollte. Doch sie kam zurück, und danach schien alles gut zu laufen. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht.«
Ich ließ mir die Sache durch den Kopf gehen. Grandpa hatte Grandma also vorgeworfen, Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit zu haben. Ein Foto mit einem kleinen Mädchen im Arm und eine Sammlung von Schnittmustern für Kinderkleider. Ein Geliebter. Eine Farm, die sie von einem englischen Adligen geschenkt bekommen hatte. Zum ersten Mal wurde mir klar, dass
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