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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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geduldig herab, und Charlie schaute zu ihnen empor. Sie hatten seine Geburt miterlebt und seine größte Liebe. Es war nur richtig, dass sie auch jetzt bei ihm waren.
     
    Der Wagen setzte Beattie an der Einfahrt ab, und sie schleppte den Koffer den Weg entlang. Auf der Rückfahrt von Hobart hatte sie die ganze Zeit still auf dem Rücksitz gesessen und geweint und gehofft, dass sie mit ihrer Entscheidung leben konnte. Nach dem Krieg würde sie Lucy besuchen. Bis dahin würde sie sich an Henrys Spielregeln halten, ihr Briefe schreiben, Geschenke schicken und sie anrufen, sobald das Telefon angeschlossen war. Dann, wenn die Deutschen besiegt und Reisen nicht mehr so gefährlich waren, würde sie nach Schottland fahren – vielleicht sogar fliegen, wenn der Wollertrag gut ausfiel – und vernünftig mit ihnen verhandeln.
    Leo Sampsons Auto parkte in der Einfahrt. Sie runzelte die Stirn. Mit ihm hatte sie nicht gerechnet.
    Beattie eilte hin und stieß die Tür auf.
    »Charlie?«
    Leo tauchte aus dem Wohnzimmer auf. Er sah aus, als wäre er die ganze Nacht nicht im Bett gewesen.
    »Beattie, ich wusste nicht, wo Sie waren.«
    »Hat Charlie es Ihnen nicht gesagt?«
    Er trat näher und nahm ihre Hand. »Setzen Sie sich ins Wohnzimmer.«
    Sie zog die Hand weg. Eisige Angst überkam sie. »Nein. Was ist los? Warum sind Sie hier? Wo ist Charlie?«
    Leo leckte sich über die Lippen.
    »Leo?« Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. »Sagen Sie es mir!«
    »Es hat einen Unfall gegeben.«
    »Nein.« Sie sank in sich zusammen, ihre Brust hob und senkte sich heftig. »Nein, nein, nein. Nicht mein Charlie.«
    »Beattie, ich …«
    »Was ist passiert?«
    »Ich bin nicht … ich bin mir nicht sicher. Ich wollte zu Ihnen, und da stand Birch, fertig gesattelt, mit hängenden Zügeln. Er führte mich zu … vielleicht hat eine Schlange das Pferd erschreckt. Charlie war …«
    Sie starrte ihn an. Stumm. Wollte verhindern, dass er die nächsten Worte aussprach.
    »Es tut mir leid, Beattie. Charlie ist tot.«
    »Wo ist er?«, keuchte sie. »Kann ich ihn sehen? Ist er …?«
    »Seine Leiche ist bei Dr. Malcolm. Sie sollten ihn lieber nicht ansehen, Beattie. Behalten Sie ihn in Erinnerung, wie er gewesen ist.« Leo schüttelte den Kopf und presste die Finger auf den Nasenrücken. »Ich kann dafür sorgen, dass er hier auf der Koppel am Haus begraben wird, wenn Sie es möchten.«
    Begraben? Begraben? Charlie in der Erde. Ihre Hände tasteten nach ihrem Gesicht, sie schluchzte so laut, dass sie selbst erschrak.
    »Es tut mir so leid«, sagte Leo und versuchte, sie in den Arm zu nehmen.
    Doch sie wollte nicht von jemandem umarmt werden, der nicht Charlie war.
    Leo wich zurück. Sie brach am Fuß der Treppe zusammen, streckte sich aus und schlug mit dem Kopf auf die Kante der Stufe. Ein Schrei war in ihr gefangen. Die Zeit dehnte sich aus. Minuten. Stunden. Leere. Leere. Lauter leere Jahre, die auf sie warteten.

[home]
    Fünfundzwanzig
    Emma
    E in warmer Wind bewegte die Büsche draußen vor der Aula, und in der Ferne konnte ich die Masten der Boote im Hafen sehen, an denen bunte Wimpel flatterten. Ich wartete auf einer langen Holzbank, während Patrick und Marlon drinnen alles vorbereiteten. Es war schön, dass der Sommer kam. Blauer Himmel, die warme Sonne auf dem Gras und dem Wasser. Nacheinander wurden die Kinder gebracht. Ein oder zwei umarmten mich, und ich war verblüfft angesichts ihrer zwanglosen Zuneigung. Als Letzte kam Mina im weißen Lexus ihres Vaters. Sie stieg aus, schloss die Tür, und er fuhr weg. Ich ging zum Parkplatz, um sie zu begrüßen. Sie hatte ihr dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, und die Wangen in ihrem blassen Gesicht waren gerötet.
    »Hallo, Mina«, sagte ich.
    »Sie sind zurückgekommen?«
    »Ja. Ich werde dir ein bisschen Ballett beibringen.«
    Ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Ehrlich?« Sie nahm meine Finger in ihre warme, weiche Hand und drückte sie fest.
»Schwanensee?«
    »
Der Nussknacker.
Ist das auch in Ordnung?«
    Sie nickte, ohne meine Hand loszulassen, und wir gingen hinein.
    Marlon absolvierte das übliche Aufwärmprogramm, dann zogen Mina und ich uns mit Stereoanlage und CD in ein Nebenzimmer zurück. Es dauerte eine Weile, bis sie verstanden hatte, dass sie allein ausgesucht worden war, dass ich weder Becky noch Zack oder andere ihrer Freunde einladen würde. Doch als sie die Situation erfasst hatte, widmete sie sich ihrer Aufgabe mit großem Eifer. Beschämt

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