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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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wir wechselten das Thema, was gut und gleichzeitig auch enttäuschend war. Ich hätte gern von ihm gehört, wie schön ich getanzt hatte, aber der Gedanke deprimierte mich furchtbar und erinnerte mich an Dinge, die ich verloren hatte und nie wiederfinden würde.
    Gegen halb vier setzte Patrick mich zu Hause ab, und ich blieb allein und niedergeschlagen zurück. Ich spürte eine Sehnsucht in der Brust, wusste aber nicht, wonach ich mich sehnte.
     
    Meine Großmutter hatte alle Zeichnungen und Schnittmuster aufbewahrt, die sie jemals angefertigt hatte. Sie lagerten in einem riesigen Regal in der Zentrale von Blaxland Wool in Sydney. Meist war ein Teil davon in der Eingangshalle in Vitrinen ausgestellt und angestrahlt. Daher hatte ich nicht damit gerechnet, in den Kisten Pauspapier zu finden.
    Ich hätte das Blatt fast zerrissen, als ich energisch eine Kiste ausleerte, in der ich nur von Schaben befleckte Romane von Georgette Heyer vermutete. Es war Sonntag, noch früh am Morgen. Ein Traum hatte mich geweckt, als die Vögel zu singen begannen. Meine Mutter kam darin vor, aber sie war nicht meine Mutter; eine große Flutwelle drohte, und ich musste ein Foto in einer Kiste finden, um zu beweisen, wer sie war. Ich war aufgewacht, als die herannahende Wasserwand den Himmel verdunkelte.
    Sehr beunruhigend.
    Ich würde den Entwurf der Sammlung in Sydney hinzufügen, wollte ihn mir aber kurz anschauen. Da erkannte ich, dass es ein Kleid für ein Kind war. Ein kleines Mädchen.
    Neugierig suchte ich weiter. Ganz unten in der Kiste fand ich elf ähnliche Muster. Alle für Kinderkleider. Kleine Blusen, Röcke und Schürzen.
    Meine Großmutter hatte niemals Kinderkleidung entworfen. Sie war berühmt für ihre Berufskleidung für Frauen. Ich breitete alle Muster aus und betrachtete sie lange. Natürlich könnte sie sie für eine Nachbarin oder Freundin entworfen haben … Dann aber fiel mir das kleine Mädchen auf dem Foto ein. Waren die Kleider für sie gewesen? Und wer war sie überhaupt?
    Warum rief ich nicht einfach meine Mutter an? Sie könnte es in Sekundenschnelle klären.
    Oder auch nicht. Falls Grandma früher schon eine Familie gehabt und diese geheim gehalten hatte, wäre es ein gewaltiger Schock für Mum. Dann würde sie sicher nicht herkommen wollen.
    Vorsichtig faltete ich die Muster wieder zusammen und legte sie aufs Klavier.
    Ich musste mir eingestehen, dass ich die Kisten nicht nur ausräumte, um Grandmas Geschichte zu erfahren. Ich suchte nach Beweisen.
    Ich ging jetzt langsamer vor, überprüfte jedes Notizbuch, jeden Brief und jedes Geschäftspapier. Ich untersuchte alte Rechnungen über Schafkäufe und Wollverkäufe. Sie ergaben keine Hinweise, aber ich hielt weiter Ausschau.
     
    Dank ihrer üblichen, geradezu übernatürlichen Voraussicht rief meine Mutter an diesem Abend an und fragte, wie es mir gehe.
    »Ach, gut«, sagte ich vage, während ich auf der untersten Treppenstufe saß und mein Knie streckte. »Es ist noch eine Menge zu tun.«
    »Ich hatte heute mit dir gerechnet.«
    »Du bist aber nicht zum Flughafen gefahren, oder?«
    »Nein. Aber ich habe dein Bett frisch bezogen.«
    Ich bekam ein schlechtes Gewissen, doch das war nicht ungewöhnlich, wenn ich mit Louise Blaxland-Hunter zu tun hatte. »Es dauert noch ein paar Wochen. Sechs vielleicht.«
    »Ist es so viel Arbeit?«, fragte sie entsetzt.
    »Es geht langsamer, als ich dachte, und eigentlich gefällt es mir hier ganz gut. Ich habe sogar Freunde gefunden. Sei bitte nicht schockiert.«
    Mum lachte.
    »Weihnachten bin ich aber definitiv zu Hause.«
    »Das wird schön. Unser erstes gemeinsames Weihnachten seit langem.«
    »Mum, könntest du mir bitte meine Sachen schicken? Die ich aus London mitgebracht habe?« Ich konnte meinen Laptop gut gebrauchen, vielleicht auch mein Handy. Und andere Kleidung außer Jeans und T-Shirts.
    Wir unterhielten uns noch eine Weile, und dann beging ich den Fehler, eine Frage zu stellen.
    »Mum, wie viel weißt du eigentlich über Grandmas Leben hier unten?«
    »Sie hat die Schaffarm geleitet, die Buchhaltung erledigt, aber auch die Tiere mit zusammengetrieben. Das habe ich ihr nicht geglaubt, bis ich sie bei Freunden einmal reiten sah. Da muss sie schon fünfzig gewesen sein, saß aber sehr fest im Sattel.«
    »Das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
    »Sie war sehr anmutig.« In Mums Stimme schwang ein Lächeln mit.
    »Sonst noch etwas? Hatte sie Freundinnen? Einen Freund?«
    »Das bezweifle ich, Schatz. Dazu blieb

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