Der Wind der Erinnerung
Stelle zu finden. Beattie verdrängte ihr schlechtes Gewissen.
Sag es ihm schnell, dann hast du es hinter dir.
»Ich komme gleich. Noch eine Minute.«
Beattie ging nach oben in die Küche und wartete auf ihn. Die Soße auf ihrem Teller kühlte ab. Endlich setzte er sich ihr gegenüber.
»Opossums sind einfach zu schlau. Finden Weg in Gemüsegarten.« Er griff nach seiner Gabel.
»Mikhail, ich habe schlechte Neuigkeiten.«
Er hob die Augenbrauen. »So? Was denn?«
»Terry hat gekündigt.«
»Ah.« Er begann zu essen. »Farquhar hat geschafft.«
»Du wusstest, dass er ihm eine Stelle angeboten hat?«
»Terry hat erwähnt letzte Woche. Farquhar will unbedingt, dass du pleitegehst.«
Beattie überlegte. Jimmy Farquhar war immer sehr nett zu ihr gewesen, dennoch zweifelte sie nicht an Mikhails Worten. Als sie Wildflower Hill übernahm, hatte sie sich viele Feinde gemacht. Nicht dass Raphael sonderlich beliebt gewesen wäre, aber die Vorstellung, dass ein armes Dienstmädchen ein so großes Anwesen besitzen sollte, gefiel den Leuten nicht. Die Einzelheiten der Transaktion waren geheim geblieben, und es kam zu unerfreulichen Gerüchten. Beattie hatte eine aufwendige Geschichte über eine Erbschaft erfunden, aber bisher keine Gelegenheit gehabt, sie jemandem zu erzählen. Jetzt schien es ohnehin egal zu sein.
»Ich glaube, ich kann nicht weitermachen, Mikhail«, sagte sie. »Alle sagen, ich soll verkaufen: Farquhar, Leo, Terry … vielleicht haben sie recht. Es tut mir leid. Ich weiß, dass du keinen Ort hast, an den du gehen kannst.«
Er aß schweigend weiter. Schließlich legte er Messer und Gabel nieder und betrachtete sie im abendlichen Dämmerlicht. Strom war ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte. »Du gibst also auf?«
Sie lächelte knapp. »Ja, Mikhail, ich gebe auf.«
»Das solltest du nicht tun.«
»Ich sehe keine andere Möglichkeit.«
»Kannst guten Verwalter einstellen, macht weiter. Du bist Boss. Dann arbeitest du nie wieder für anderen Mann. Ist das gut?«
»Ich kann es mir nicht leisten, einen neuen Verwalter einzustellen. Mir geht noch vor der Schur das Geld aus.«
»Verkauf mehr Land. Farquhar wird kaufen.«
»Woher soll ich wissen, ob ich einem neuen Verwalter trauen kann? Ich will dieses Risiko nicht eingehen und dafür Land verkaufen. Terry kennt die Farm in- und auswendig.«
Mikhail dachte nach und schob dabei die Unterlippe vor, was ziemlich lächerlich aussah. Er erinnerte an ein schmollendes Kind. Beinahe hätte Beattie gelacht. Dann sagte er: »Charlie Harris.«
Sie brauchte einen Augenblick, um sich an ihn zu erinnern, doch dann war der Tag, an dem sie Henry verlassen hatte, wieder da. Der Tag, an dem Charlie Lucy das Leben gerettet hatte.
»Niemand kennt Wildflower Hill wie er. Ist kluger Mann. Weiß, was gut ist für Geschäft. Mr. Blanchard mochte nicht, weil er klug ist. Wirst ihn mögen.«
»Wie soll ich ihn überhaupt finden?«
»Ist nach Bligh gegangen.«
»Das ist aber Jahre her.«
»Vielleicht ist noch da. Brief schreiben. Postamt findet ihn, wenn noch in der Stadt ist.«
Beattie überlegte. Die Vorstellung, einen brillanten Verwalter zu haben, der die Farm wieder zum Laufen brachte, war verlockend. Wenn sie den Besitz verkaufte, käme sie kurzfristig zu Geld. Doch wenn die Farm erfolgreich arbeitete, hätte sie eine Sicherheit fürs Leben.
»Na gut. Ich werde ihm schreiben, aber wenn ich in zwei Wochen nichts gehört habe, bitte ich Leo, einen Käufer zu suchen.«
Mikhail nickte und wandte sich wieder seiner Mahlzeit zu. Falls er sich Sorgen um die Zukunft machte, verbarg er sie geschickt.
Eine Woche verging. Nichts. Dann kam Leo Sampson eines Morgens zu Besuch, als Beattie gerade ihr Bett für Lucys ersten Besuch frisch bezog. Eigentlich sollte sie erst kommen, wenn auf der Farm alles hergerichtet war, doch Beattie hatte inzwischen begriffen, dass dies viel zu lange dauern würde.
»In der Stadt erzählt man sich, Sie wollten die Farm verkaufen«, sagte Leo.
»Ich denke darüber nach«, erwiderte sie argwöhnisch. »Wieso?«
»Jemand hat mir ein Angebot unterbreitet.«
Beatties Herz schlug schneller. »Tatsächlich? Wer denn?«
»Er will nicht genannt werden.«
»Es ist Jimmy Farquhar, oder?«
»Wissen Sie, wie viel er bietet?«
»Nur zu.«
Leo nannte den Betrag. Es war eine Menge Geld, aber nicht einmal annähernd das, was der Besitz wirklich wert war.
»Das ist eine Beleidigung«, sagte sie. »Es kann nur Farquhar sein.«
Leo
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