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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Harri nicht gekannt, eine Lüge? Vielleicht hatte er sich in die Familie Merivaara eingeschlichen, um Nachforschungen über Harris Tod anzustellen, nicht aus Liebe zu Riikka. Das schien weit hergeholt, aber nicht völlig unmöglich.
    Wieder blätterte ich in Harris Akte. Wahrscheinlich würde ich seine Ermordung nie beweisen können, zumal sein Leichnam eingeäschert worden war. Meine Hilflosigkeit machte mich rasend. Menschen starben, und ich fand keinen Grund, keinen Schuldigen. Obendrein musste ich in einer halben Stunde zu einer der unzähligen Planungssitzungen aufbrechen. Diesmal ging es um den Kampf gegen Graffiti. Ich hatte versucht, mich davor zu drücken, weil das Gewaltdezernat mit diesem Problem nichts zu tun hatte, doch es hieß, die führenden Vertreter der Stadt wollten bei einem gemeinsamen Mittagessen mit allen Dezernatsleitern und höheren Polizeibeamten sprechen. Ich fragte mich, ob die Stadt Espoo wirklich keine dringlicheren Umweltprobleme hatte als ein paar beschmierte Wände.
    Außerdem würde die vor einiger Zeit gegründete Arbeitsge-meinschaft gegen Wandalismus, an der auch Jugendliche beteiligt waren, garantiert mehr ausrichten können als offizielle Sitzungen auf Chefebene.
    Bevor ich ging, rief ich Antti an. Ich störte ihn beim Klavierspiel, Iida hielt gerade draußen ihren Mittagsschlaf.
    »Nenn mir mal ein Gift, das Vögel tötet.«
    »Damit kenn ich mich nicht aus, ich bin Mathematiker. Frag einen Biologen. Worum geht’s denn?«
    »Harri hatte auf Rödskär eine tote Eiderente gefunden. Können Lacke irgendwelche Stoffe enthalten, die für Vögel giftig sind? Irgendetwas, das in der Nahrungskette angereichert wird und von den Vögeln dann in tödlicher Konzentration aufgenommen wird?«
    »Früher enthielten Farben alles Mögliche, vom Blei angefangen, aber die Merivaara AG stellt so was doch nicht mehr her.
    Was vermutest du denn?«
    »Ich weiß es selbst nicht«, seufzte ich, denn solange ich nichts Genaueres über die Aktivitäten von Peders und Ramanauskas wusste, konnte ich nur spekulieren. Antti schlug vor, am Wochenende nach Inkoo zu fahren; seine Eltern waren verreist, wir hätten die Villa am Meer für uns. Das Boot war noch nicht aus dem Wasser geholt worden, sodass wir bei gutem Wetter segeln konnten. Mir war klar, dass Antti mich von der Arbeit und von den Gedanken an Pertsa ablenken wollte. Warum nicht?
    Eigentlich hatte ich Lust darauf, mit Iida in der Rückentrage durch den Wald zu streifen, Pilze zu suchen und noch einmal im Boot durchs Wasser zu gleiten, bevor es zufror.
    »Gute Idee, wir könnten schon heute Abend los. Und das Handy bleibt zu Hause!«
    Es wurde höchste Zeit, zur Besprechung zu gehen. Ich kämmte mir die Haare und zog die Lippen nach. Unter den Augen hatten sich neue Falten gebildet, an den Schläfen schien ich allmählich grau zu werden. Als ich an dem Büro vorbeiging, in dem Lähde nun allein saß, sah ich unwillkürlich auf. Der Anblick des leeren Namensschildes schnitt mir ins Herz. Nun begriff ich, dass ich vergeblich versucht hatte, die Erinnerung an Pertsa zu verdrängen, indem ich in hysterischer Eile seine Sachen fortschaffen ließ. Bei der Morgenbesprechung hatte ich mich eine ganze Weile suchend nach seiner massigen, nach Zigaretten stinken-den Gestalt umgesehen.
    Der größte Knüller der Planungssitzung, die kostenlose Mahlzeit, war eine Enttäuschung. Lustlos stocherte ich an der zähen Regenbogenforelle herum. Seit wir im Sommer gelesen hatten, dass die Forellenzucht zur Vermehrung der Blaualgen beitrug, kauften wir keinen Zuchtfisch mehr. Vielleicht steckte Anttis Umweltbewusstsein mich allmählich an, denn ich überlegte auch, womit die Kartoffeln, die man uns servierte, gedüngt worden waren. Diese Gedanken waren sicherlich fruchtbarer als die Sitzung, die die Stadtverwaltung, der Technikausschuss und das Technische Zentralamt einberufen hatten.
    »Für das Image der Stadt ist es eminent wichtig, dass die Schmierer gefasst werden. Denken Sie nur daran, welchen Eindruck ausländische Besucher erhalten, wenn sie über die Schnellstraße vom Flughafen kommen und die beschmierten Lärmschutzwälle sehen. Am Westring ist es nicht anders. Eine moderne Technologiestadt wie Espoo darf nicht aussehen wie ein Slum«, beschwerte sich ein Ingenieur vom Technischen Zentralamt.
    »Natürlich tun sowohl die Kripo wie die Schutzpolizei ihr Bestes. Die Stadt könnte ihrerseits bei der Regierung intervenie-ren, um eine bessere Finanzierung der

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