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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Polizeikräfte zu erreichen«, antwortete unser neuer Polizeipräsident.
    Die Forelle schmeckte so miserabel, dass ich den Teller beiseite schob. Ein Kontaktbereichsbeamter der Schupo sprach von Informationskampagnen an den Schulen und von neuen Jugend-zentren, doch sämtliche Vorschläge, die eine Beteiligung der Stadt erfordert hätten, schienen auf taube Ohren zu stoßen. Zu meiner eigenen Verwunderung bat ich ums Wort.
    »Es wundert mich gar nicht, dass die Jugendlichen mit den Stadtvätern einen Wettstreit in Sachen Umweltzerstörung austragen. Diese Lärmwälle schreien doch geradezu nach Farbe.
    Solange die Stadt sich nach Kräften bemüht, Grüngebiete zuzupflastern, steht ihr nicht zu, sich über Umweltverschande-lung zu beschweren.«
    »Hat die Polizei etwa vor, das Strafgesetz umzuschreiben?«, unterbrach mich ein Mitglied der Stadtverwaltung mit eisiger Stimme. »Im Gegensatz zu den Graffitischmierern hält sich die Stadt bei ihrer Bautätigkeit an die Gesetze.«
    Die peinlich berührten Blicke des Polizeipräsidenten und meiner Kollegen fachten meinen Ärger weiter an.
    »Diese Gesetze haben Sie, die Politiker, doch selbst gemacht.
    Da hier offenbar jeder einen Wunsch frei hat, möchte ich anregen, die Bordkanten der Fahrradwege abzuflachen. Zehn Zentimeter sind für ein Auto kein Problem, aber mit dem Fahrrad schwer zu überwinden. Wenn sich ein Radfahrer den Hals bricht, muss sich das Gewaltdezernat um den Fall kümmern. Mit Graffitimalern hatten wir bisher nichts zu tun, daher darf ich mich wohl verabschieden. Unser zweiter Kommissar hat sich vorgestern umgebracht, ich habe alle Hände voll zu tun.«
    Ich schob polternd den Stuhl zurück und stand auf. Obwohl ich wusste, wie idiotisch mein Verhalten war, hatte ich mich nicht beherrschen können. Im Hinausgehen spürte ich Taskinens enttäuschten Blick im Rücken. Vielleicht fragte er sich allmählich, ob meine Ernennung zur Dezernatsleiterin ein Fehler gewesen war. Er hatte kämpfen müssen, um seinen Vorschlag durchzusetzen. Manchen war ich suspekt erschienen, weil ich unter anderem dem Frauenverband und dem Verein für sexuelle Gleichstellung angehörte. Nun würde man wahrscheinlich munkeln, ich träte nicht nur für die radikalen Tierschützer, sondern auch für Graffitimaler ein.
    Ich rannte die Treppen zu unserer Etage in Rekordzeit hoch. In meiner Schreibtischschublade musste noch eine Tüte Salmiak liegen, die beste Medizin gegen meine Wut.
    »Du wirst erwartet«, sagte Lähde, der mir an der Tür zum Dezernatskorridor entgegenkam.
    »So?« Schon von weitem sah ich die grünen Haare von Jiri Merivaara, der sich an meine Tür lehnte. War er freiwillig aufs Präsidium gekommen? Als er mich bemerkte, wurde sein Gesicht noch abweisender.
    »Hallo, Jiri. Wie geht’s?«
    Er zuckte die Achseln, folgte mir in mein Büro und ließ sich aufs Sofa fallen. Die grüne Haarfarbe war seit unserer letzten Begegnung etwas verblasst, durch die zerrissene Jeans schimmerte ein spitzes Knie. Der voll gestopfte grüne Rucksack stand offen.
    »Müsstest du nicht in der Schule sein?«
    »Da geh ich nicht mehr hin! Im Februar werd ich achtzehn.
    Wenn ich erst mal Vaters Geld hab, mach ich’s vielleicht wie Mikke und reise rund um die Welt.«
    Ich erinnerte mich an Anne Merivaaras Worte, Jiri wolle Biologie studieren. War das nur mütterliches Wunschdenken gewesen?
    »Außerdem hab ich schon drei Klausuren verpasst, weil die Sicherheitspolizei uns tagelang festgehalten hat, obwohl wir nichts getan haben.«
    »Wirklich nicht? Haben nicht einige von euch die Brandstiftung schließlich zugegeben? Hast du von dem Anschlag gewusst?«
    »Nein«, sagte Jiri, und ich war sicher, dass er log. Die Schülerin, die in der Fleischfabrik ein Praktikum gemacht hatte, ihre ältere Schwester und ein Mädchen aus Jiris Klasse hatten eine Anklage wegen Brandstiftung zu erwarten, Jiri würde vermutlich wegen Beihilfe angeklagt werden. Bei der hohen Geldstrafe, mit der er zu rechnen hatte, würde er sein väterliches Erbe sofort angreifen müssen.
    Jiri saß stumm und grimmig auf dem Sofa, als wäre er gegen seinen Willen aufs Präsidium geschleppt worden. Das Telefon klingelte, Puupponen erkundigte sich nach einer Routinesache, ich antwortete ausführlich, als wäre Jiri gar nicht vorhanden. Er betrachtete abwechselnd seinen Rucksack und die Spitzen seiner roten Turnschuhe, kaute auf den Nägeln herum und zog die Finger gleich darauf angewidert aus dem Mund.
    Auch nachdem ich aufgelegt

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