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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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den Torschlüssel sucht, und dann hat er mich plötzlich ins Wasser gestoßen.«
    »Mach dir nichts draus, den kriegen wir«, tröstete ich ihn, während ich eine Decke und den Reserve-Overall aus dem Kofferraum holte. »Nach seinem Tempo zu urteilen, hatte er das Manöver gründlich geplant.«
    Puustjärvi fuhr nach Hause, um sich aufzuwärmen, ich stand zitternd am dunklen Ufer und rief ergebnislos auf der »Leanda«
    an. Vom Wasser her war ein leises Knirschen zu hören, der Frost baute die erste Eiskruste auf. Ebenso eisig funkelten die Sterne über dem schwarzen Meer. Nach einer Viertelstunde traf das Polizeiboot ein, ich sprang an Bord und legte eine Schwimmweste an. Wir ließen die Lichter des Festlands hinter uns und fuhren aufs Meer hinaus, das so teuflisch dunkel war, wie es an einem Abend Ende Oktober nur sein kann. Auch die schmale Mondsichel spendete kaum Licht.
    Schiffe der Küstenwache aus Santahamina und Porkkala waren bereits auf der Suche nach Mikke, außerdem ein Ret-tungshubschrauber und drei Polizeiboote. Der Motor der
    »Leanda« war nicht besonders leistungsfähig, selbst im Schutz der Dunkelheit konnte Mikke nicht entkommen. Ich sprach mit der Küstenwache, wir gingen die Kennzeichen der »Leanda«
    durch und überlegten, welchen Kurs Mikke einschlagen würde.
    »Ich glaube, er wird aufs offene Meer hinausfahren. Er kennt zwar die Schären zwischen Espoo und Porkkala wie seine Westentasche, aber ein Segelboot lässt sich nicht so leicht zwischen den Inseln hindurchmanövrieren wie ein Ruder- oder Motorboot.«
    »Sjöberg wurde unter dem Verdacht eines Kapitalverbrechens festgenommen, sagtest du. Stellt er eine Gefahr für Außenstehende dar?«
    »Wohl kaum. Am gefährlichsten ist er für sich selbst, deshalb haben wir es ja so eilig«, sagte ich mit gepresster Stimme.
    »Aha. Was für einen Kocher hat er an Bord?«
    »Einen Gaskocher«, stöhnte ich. Im selben Moment hörte ich das Geräusch eines Hubschraubers über uns. Suchscheinwerfer kreisten über dem Wasser, fanden aber nur Leere. Ein Boot der Küstenwache ging längsseits und meldete, östlich der Insel Stora Lövö sei ein Boot gesichtet worden, das der Beschreibung der
    »Leanda« entsprach. Mikke hatte Kurs nach Süden genommen.
    Wir drehten nach Osten ab. Das Rotorengeräusch wurde stärker, nun waren bereits zwei Hubschrauber unterwegs. Ihre Scheinwerfer erfassten unser Boot, dann flogen sie weiter nach Osten. Am Horizont schimmerte das Leuchtfeuer von Rödskär auf. In einigen Kilometern Entfernung verharrte der Hubschrauber, stand in der Luft, und kurz darauf erhielten wir die Nachricht, die »Leanda« sei gefunden worden. Wir steigerten das Tempo, von Norden her kam ein zweites Polizeiboot, und nach zehn Minuten war die »Leanda« eingekreist. Im Licht der Scheinwerfer machte ich eine Gestalt an Deck aus, konnte aber nicht erkennen, was sie in der Hand hielt.
    »Vom Nachbarboot wird gefragt, ob der Mann bewaffnet ist«, sagte der Funker.
    »Meines Wissens nicht. Wollen sie die ›Leanda‹ entern? Sag ihnen, sie sollen behutsam vorgehen.«
    Die Boote näherten sich der »Leanda«, der Ring zog sich langsam zusammen. Die Hubschrauber waren abberufen worden. Auf dem Nachbarboot, der »Espoo III«, wurde ein Megaphon eingeschaltet.
    »Sjöberg, wir kommen Sie holen. Nehmen Sie die Hände hoch, wir gehen längsseits.«
    Mikke kam dem Befehl nicht nach, er hob nur die eine Hand, die einen offenen Benzinkanister hielt. Er goss den Inhalt bedächtig auf das Deck, dann rief er über das Tuckern der Motoren hinweg:
    »Wenn ihr näher kommt, jage ich das Boot in die Luft. Die Gasflasche in der Kombüse ist aufgedreht.«
    »Gib mir ein Fernglas«, sagte ich zu dem Funker. Vor Kälte zitterte ich dermaßen, dass ich Schwierigkeiten hatte, die Schärfe einzustellen. Mikke stand an Deck, die Mütze tief in die Stirn gezogen, mit roten Ohren, einen Zehnliterkanister in der Hand. Ich sah den breiten Benzinstreifen auf dem dunkel glänzenden Holz, sah Mikkes verzerrtes Gesicht und seine Augen, die mir bodenlos erschienen. Ich sah das Feuerzeug in seiner freien Hand und sein erschrecktes Aufzucken, als sich die
    »Espoo III« in Bewegung setzte. Ich wollte schon »Nein!«
    schreien, als mir klar wurde, dass sie nicht die »Leanda«, sondern unser Boot ansteuerte.
    »Ist Kriminalhauptkommissarin Kallio an Bord?«, fragte Hauptmeister Raitio von der Wasserschutzpolizei, ein bärtiger Mann, der die Operation leitete. »Komm rüber, damit wir uns

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