Der Wind über den Klippen
Stelle.
Die eine verhandelte gerade mit den Demonstranten, daher ging ich zu den beiden anderen Beamten, Akkila und Yliaho.
»Schau an, die Kallio«, sagte Yliaho. »Ich hab schon gehört, dass du wieder da bist. Na, als Kommissarin kannst du uns sicher sagen, was wir tun sollen. Die Rabauken haben ihre Demo nicht mal angemeldet.«
Als die RdT-Mitglieder angerückt waren und die Fenster des Restaurants mit ihren Anti-Hamburger-Bannern verhängten, hatte der Schichtleiter von McDonald’s die Polizei alarmiert.
Sonntags kamen viele Eltern, die keine Lust hatten, stundenlang in der Küche zu stehen oder viel Geld für einen Restaurantbe-such auszugeben, mit ihren Kindern hierher, und um vier Uhr sollte obendrein eine Geburtstagsparty für zwanzig Fünfjährige stattfinden.
»Fällt nicht in mein Ressort«, wich ich aus. Laut Gesetz mussten unangemeldete Demonstrationen aufgelöst werden, wenn sie Unbeteiligte störten. Ich wusste nicht recht, wie ich zu der Sache stand. Ab und zu aß ich selbst einen Hamburger, während Antti keine zehn Pferde zu McDonald’s gebracht hätten. Ihm schmeckte das Essen nicht, und die Ideologie der Kette fand er widerwärtig.
»Das Personal ist stinksauer«, sagte Akkila, der Experte für Kickboxing, der seine Künste gern auch im Dienst einsetzte.
Ein alerter junger Mann im grün gestreiften Hemd der Imbiss-kette kam aus dem Gebäude. Die Reaktion der Demonstranten war beeindruckend: Keiner sagte ein Wort, doch alle drehten sich gleichzeitig um und starrten den Mann an. Die Trommel-schläge wurden lauter. Der McDonald’s-Mitarbeiter zögerte mindestens zehn Sekunden, bevor er zu uns kam.
»Schicken Sie diese Idioten endlich weg, die stören unsere Kunden«, schnaubte er. Auf seinem Namensschildchen stand
»Jimi, Schichtleiter«.
»Die Kollegen verhandeln gerade mit ihnen. Wir versuchen, die Sache möglichst zivilisiert zu erledigen«, sagte Yliaho beschwichtigend.
»Zivilisiert? Die benehmen sich alles andere als zivilisiert!«
»Ein gewaltsamer Polizeieinsatz liegt sicher nicht im Interesse des Restaurants«, meinte Yliaho.
»Aber mit denen kann man nicht vernünftig reden! Ich hab’s versucht, aber sie haben mich nur angepöbelt«, brauste der Schichtleiter auf.
Die Verhandlungen zwischen der zweiten Streife und den Demonstranten waren offenbar beendet, denn die Beamten kamen zu uns herüber. Ich kannte beide, sie waren schon lange dabei. Die eine, Liisa Rasilainen, war eine der dienstältesten Frauen bei der Espooer Polizei.
»Na?«, fragte Yliaho.
Rasilainen schüttelte den Kopf.
»Freiwillig gehen sie nicht, sie brennen geradezu auf einen Polizeieinsatz. Wir müssen wohl ein paar zusätzliche Fahrzeuge anfordern. Und dann gehen wir behutsam vor.«
»Die betteln doch drum, eins in die Fresse zu kriegen!«, knurrte Akkila und klopfte erwartungsvoll auf seinen Schlag-stock.
Ich ließ den Blick über die Demonstranten schweifen: Junge Leute in Anoraks, Jeans und Batikkleidern, mit knallbunt gefärbten Haaren. Sie sahen kaum anders aus als meine Freunde und ich vor rund siebzehn Jahren auf den Friedensmärschen.
Auch wir hatten uns eingebildet, die Welt verändern zu können.
Es wäre uns ganz recht gewesen, von den Bullen festgenommen zu werden, denn das hätte uns bewiesen, dass die Machthaben-den uns als Bedrohung empfanden.
»Wer trägt die Verantwortung für die Operation?«, fragte ich Rasilainen.
»Hauptmeister Hannula. Er ist auf dem Weg hierher.«
Hannula war ein besonnener Mann, vielleicht konnte er verhindern, dass die Situation außer Kontrolle geriet. Am besten fuhr ich weiter. Ich sah mich suchend nach Antti um, konnte ihn aber nicht entdecken. Sicher hatte er gemerkt, dass ich gebraucht wurde, und war mit Iida nach Hause gefahren.
Die ganze Szene kam mir unwirklich vor. Die Demonstranten machten keinen Lärm und bewegten sich kaum. Sie standen schweigend vor den Fenstern des Restaurants und ließen ihre Transparente sprechen, während die Trommel drohend grollte.
Die Menschen, die das Restaurant besuchen wollten, waren unsicher. Niemand hinderte sie daran, hineinzugehen, doch die aggressiv aussehende Schar schreckte die meisten ab.
Weitere Polizeifahrzeuge trafen ein, einem davon entstieg Hauptmeister Hannula.
»Personalien aufnehmen, aber keine Festnahme, sofern alles ruhig bleibt«, ordnete er an. Dann nahm er ein Megaphon und forderte die Demonstranten auf, sich zu zerstreuen. Ich zog mich erleichtert zurück, der Einsatz schien friedlich
Weitere Kostenlose Bücher