Der Wind über den Klippen
der Finnischen Nationaloper und beim Opernfes-tival in Savonlinna. Vor drei Jahren trat er dort als Marquis Posa in Verdis » Don Carlos « auf und gewann auch das finnische Opernpublikum für sich. Wie vor ihm Tom Krause und Jorma Hynninen, schien der Heldenbariton auf dem Weg an die internationale Spitze zu sein. Die Deutsche Oper in Berlin, eines der führenden Opernhäuser der Welt, bot ihm die Rolle des Grafen Almavida in » Figaros Hochzeit « an. Doch dann kam alles anders.
» Schon im letzten Sommer merkte ich, dass meine Stimme schneller als sonst ermüdete und gewissermaßen verschwamm.
Als ich im Spätsommer bei den Musikfestspielen in Salzburg den Scarpia in Puccinis » Tosca « sang, wurden mir die letzten Aufführungen zur Qual. Die Stimme spielte nicht mehr mit. «
Holma konsultierte einen Phoniater, der eine Lockerung der Stimmbänder feststellte und ihm als Soforthilfe absolute Scho-nung empfahl. Der Sänger ließ sich beurlauben. Nach fast einjähriger Pause hat sich noch keine grundlegende Besserung eingestellt. Möglicherweise wird sich Holma einer Operation unterziehen müssen.
» Niemand kann mir garantieren, dass die Operation meine Stimme wiederherstellt « , sagt Tapio Holma gefasst. » Deshalb weiß ich noch nicht, ob ich das Risiko eingehen will. Andererseits muss ich mich bald entscheiden, denn in meiner Branche ist man nach zwei Jahren aus dem Rennen. Der Konkurrenz-kampf ist hart. «
Mit dem Versagen der Stimme ging ein zweiter Schicksals-schlag einher, den der Sänger heute weitgehend überwunden hat. Er war zehn Jahre mit der deutschen Sopranistin Suzanne Holtzinger verheiratet. Auf der Opernbühne bemüht sich der Bariton meist vergeblich um den Sopran, so auch in der Oper
» Tosca « , deren Titelrolle Suzanne Holtzinger in Salzburg sang.
In dieser Oper verlangt der skrupellose Scarpia, Tosca solle sich ihm hingeben, um das Leben ihres Geliebten, des Tenors Cavaradossi, zu retten. Sie willigt scheinbar ein, doch als Scarpia sie umarmen will, erdolcht sie ihn.
Auch im wirklichen Leben verlor der Bariton seinen Sopran an einen Tenor. Holmas Frau verliebte sich in den Darsteller des Cavaradossi.
» In unserer Ehe kriselte es seit langem, insofern kam die Entscheidung meiner Frau nicht aus heiterem Himmel. Dennoch ist es belastend, zwei einschneidende Veränderungen gleichzeitig zu erleben, das lässt sich nicht leugnen. «
Ein Ortswechsel half dem Sänger über die Krise hinweg: Tapio Holma kehrte in seine Heimatstadt Espoo zurück. Die Ornithologie, die ihn bereits als Schüler fasziniert hatte, lässt ihn nun alle Niedergeschlagenheit vergessen.
» Ich selbst kann nicht mehr singen, doch ich genieße den Gesang der Vögel. Vor allem die Frühsommernächte sind in Finnland einzigartig. Die Nachtigallen an der Bucht Otsolahti
… Glücklicherweise sind noch nicht alle Bäume dem Straßen-bau zum Opfer gefallen. «
Auch eine neue Frau ist in das Leben des Sängers getreten, die zwanzigjährige Studentin Riikka Merivaara. Holma deutet geheimnisvoll an, dass, als er Riikka kennen lernte, er im wahren Leben die Heldenrolle habe übernehmen müssen, Einzelheiten gibt er jedoch nicht preis.
» Der Altersunterschied stört uns nicht, Riikka ist eine sehr reife junge Frau. Ich habe viel von ihr gelernt, unter anderem hat sie mich dazu angeregt, über die Bedeutung einer gesunden Ernährung für das ganzheitliche Wohlbefinden des Menschen nachzudenken. Zur Zeit suchen wir gemeinsam nach alternati-ven Heilmethoden für meine Stimmbänder. Sollte meine Stimme nicht wiederherzustellen sein, so ist das Leben dennoch lebenswert. Jeden Tag kann man dem Gesang der Vögel lauschen, selbst wenn man einmal nur Möwen oder Krähen hört « , sinniert Tapio Holma.
Auf dem Foto, das den Artikel begleitete, stand Holma mit einem Fernglas am Meer. Der Anflug eines Lächelns lag auf seinem Gesicht: Trotz schwerer Schicksalsschläge hat der tapfere Bariton sich seinen Lebensmut bewahrt.
»Eine unglaubliche Geschichte«, sagte ich zu meiner Schwiegermutter, die Iida mit Himbeer-Blaubeer-Püree fütterte.
»Daraus könnte man direkt ein Opernlibretto machen.«
Antti lachte respektlos über den Bericht und fragte dann, ob ich seine alten Rödskär-Dias sehen wolle, wenn Iida schlief.
Natürlich wollte ich. Als er erwähnte, es seien auch ein paar Dias von seiner Fahrt mit Mikke Sjöberg auf dem Schoner
»Astrid« dabei, spürte ich ein seltsames Flattern im Bauch.
Ende August wurde es schon vor
Weitere Kostenlose Bücher