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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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zu verlaufen, ich brauchte mich nicht einzumischen. Ich war bereits bei der Tankstelle angekommen, als ich Glas klirren hörte.
    Jemand hatte einen Stein ins Restaurantfenster geworfen.
    Die meisten Demonstranten hatten folgsam den Rückzug angetreten, aber als Yliaho und Rasilainen nun die Steinwerferin packten, kam Leben in die Schar. Sie brüllten Protestrufe und schlugen mit ihren Schildern nach den Polizisten. Ein Junge mit grünen Haaren versuchte, die Beamten von dem Mädchen wegzureißen, und wurde seinerseits von Akkila angegriffen. Die Polizisten waren hoffnungslos in Unterzahl, ich rannte fluchend zurück. Akkila zerrte den Grünhaarigen brutal zum Kastenwagen, der Junge biss ihn in den Arm, Akkila trat ihm in den Magen. Erst als der Demonstrant zu Boden ging, sah ich, dass es Jiri Merivaara war. Zu meiner Erleichterung rappelte er sich wieder auf. Er wollte sich erneut auf Akkila stürzen, doch der hatte die Handschellen schon parat. Jiri versuchte sie ihm zu entreißen, aber gegen den fünfzehn Zentimeter größeren Kickboxer hatte er keine Chance.
    Zwei Kollegen nahmen die Personalien der nicht am Krawall beteiligten Demonstranten auf. Ich holte meinen Polizeiausweis aus der Tasche, steckte ihn an die Jacke und half ihnen, woraufhin sich einer der beiden in das Kampfgetümmel stürzte.
    Rasilainen und Yliaho hatten die Steinwerferin inzwischen in ein Polizeifahrzeug verfrachtet, in das noch ein paar weitere Demonstranten geschoben wurden. Jiri, der sich heftig wehrte und Akkila als Faschistenschwein beschimpfte, wurde in den nächsten Kastenwagen verladen. Unter dumpfem Getrommel trollten sich die übrigen, nachdem ihre Personalien aufgenommen worden waren. Die Jüngsten waren etwa dreizehn und wirkten neben den stämmigen Polizisten klein und harmlos.
    »Diese verdammten Gören«, seufzte Hannula beim Einsteigen.
    »Vier Festnahmen, nur gut, dass sich keiner an den Glasscher-ben verletzt hat. Fährst du mit?«
    »Nein danke, ich bin mit dem Fahrrad.«
    Auf halbem Weg holte ich Antti und Iida ein und berichtete, was mich aufgehalten hatte.
    »Geknüppelt und getreten, pfui Teufel!« Anttis Sympathien lagen eindeutig bei den Demonstranten.
    »Der Steinwurf war aber nun wirklich nicht in Ordnung! Das Glas ist meterweit geflogen, stell dir bloß mal vor, die Scherben hätten ein Kind getroffen!«
    »Da hast du Recht, solche Aktionen bringen nichts«, gab er zu.
    Wir malten uns aus, wie die Medien über das Ereignis berichten würden, und tatsächlich brachten am Abend sämtliche Fernsehsender Interviews mit dem Schichtleiter und einem der Demonstranten. Weltbewegendes hatte keiner von beiden zu sagen, ihre Ansichten lagen so weit auseinander, dass jede Verständigung unmöglich war. Das Restaurant forderte natürlich Schadenersatz für die Fensterscheibe und den Verdienstausfall.
    Der Vorfall sollte mich länger beschäftigen, als ich gedacht hatte, denn am Montagmorgen fand ich auf meinem Schreibtisch die Mitteilung, Jiri Merivaara habe gegen Polizeimeister Akkila Beschwerde erhoben. Die Voruntersuchung sollte mein Dezernat übernehmen.
    Drei
    »Vermutlich wird gegen Polizeimeister Akkila keine Anklage erhoben«, sagte ich zu Jiri Merivaara, der mit seiner Mutter zur Vernehmung erschienen war. Ich hätte Anne Merivaara fast nicht erkannt, als sie mein Büro betrat. Die zierliche, sonnengebräunte Frau, die ich auf Rödskär kennen gelernt hatte, gab es nicht mehr, nun saß mir eine Geschäftsfrau im strengen grauen Kostüm gegenüber, mit einer teuren, goldgerahmten Brille und kühlem Blick.
    »Wieso denn nicht? Der Kerl hat mich grün und blau getreten, hier, guck’s dir an!« Jiri hob sein loses schwarzes Hemd.
    Zwischen den Rippen prangte ein großer Bluterguss.
    »Gegen dich liegt eine Anzeige vor wegen tätlichen Widerstands gegen einen Polizeibeamten. Daher wird der Staatsanwalt vermutlich zu der Auffassung kommen, dass du Polizeimeister Akkila provoziert hast«, erklärte ich. Ich kannte die Arbeitswei-se des zuständigen Staatsanwalts und war mir sicher, dass er Jiris Beschwerde zurückweisen würde. Ob er damit Recht hatte, war eine andere Frage. Meiner Ansicht nach war Akkila unnötig brutal vorgegangen. Wäre er mein Untergebener gewesen, hätte ich ihn für ein paar Tage vom Dienst suspendiert.
    »Über die Anklageerhebung entscheidet also nicht die Polizei selbst?«, fragte Anne Merivaara.
    »Natürlich nicht.«
    Es wäre mir lieber gewesen, das Kriminalamt hätte die Voruntersuchung gegen

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