Der Wind über den Klippen
mit Mikke Sjöberg?«
Sie lachte verlegen.
»Natürlich nicht! Wir wurden gute Freunde, und ab und zu durfte ich an Mikkes Segeltörns teilnehmen. Zuletzt waren wir im August auf Dagö. Ich wollte dieses Wochenende mit Mikke verbringen, weil er den ganzen Winter unterwegs sein wird.«
Ein Instinkt sagte mir, dass Seija Saarela keine Einwände gegen eine engere Beziehung gehabt hätte, doch wenn es um Männer ging, die ich selbst attraktiv fand, hatte mein Instinkt mich schon öfter in die Irre geleitet.
Hakkarainen, einer der Techniker, kam herein und sagte, er müsse mit mir sprechen. Ich entließ Seija Saarela, holte meinen Regenmantel aus dem Hubschrauber und folgte Hakkarainen ans Ufer.
»Wir haben am Felsen nach Spuren eines Sturzes gesucht und sie auch gefunden, aber sie passen nicht recht zu dem Toten.«
»Sie können von Mikke Sjöberg stammen, der die Leiche gefunden hat. Er sagt, er sei gestolpert, als er ans Ufer ging, um nach Merivaara zu sehen. Vielleicht sollte ich ihn fragen, wo genau er abgerutscht ist.«
Hakkarainen zeigte auf den Toten.
»Der Kopf ist stark zerschmettert, und das Wasser hat die Wunde so gründlich ausgespült, dass die Knochensplitter und die Hirnmasse wahrscheinlich zum größten Teil im Meer gelandet sind.« Er drehte sich mit dem Rücken zum Wind und versuchte eine Zigarette anzuzünden, doch das Feuerzeug streikte und er musste eine ganze Weile daran herumfummeln, bevor es endlich aufflammte. Genüsslich inhalierte er ein paar Züge, dann nahm er eine Dose aus der Tasche, in die er die Asche abstreifte. In der Nähe eines Tatorts hinterließ er grundsätzlich keine eigenen Spuren.
»Noch keine Theorie?«
Der Techniker schüttelte den Kopf. Er spekulierte nicht gern, sondern legte seine Fakten erst vor, wenn er sich hundertzehn-prozentig sicher war.
»Aber ein Tötungsdelikt ist nicht auszuschließen?«
»Nein. Es gefällt mir nicht, dass keine ordentlichen Sturzspu-ren zu finden sind. Wir müssen die Obduktion abwarten, aber ich habe den starken Verdacht, dass er erschlagen wurde, und zwar nicht mit einem Stein.«
Puustjärvi kam mit besorgtem Gesicht den Abhang herunter.
»Wir brauchen dich, Maria. Die Sjöbergs wollen abfahren.«
»Was? Die können doch nicht einfach verschwinden.« Ich stieg zur Festung hoch.
Katrina Sjöberg stand mit geballten Fäusten und wütender Miene in der Küche.
»Wenn die Polizei sich bitte beeilen würde, wir müssen los.
Ich muss am Donnerstagabend in Föglö sein.«
»Wo liegt das eigentlich?«, fragte ich zögernd, denn ich konnte mich nicht erinnern, den Namen je gehört zu haben.
»Im Ostteil der Ålandinseln. Ich wohne dort und habe am Freitag Dienst in der Bibliothek.«
»Es tut mir Leid, aber Sie können noch nicht abfahren. Der Hergang ist so unklar, dass wir alle Anwesenden vernehmen müssen.«
»Wie lange wird das dauern? Zahlt mir die Polizei das Schiffs-ticket nach Åland?«
Ich wollte gerade antworten, das entscheide der Hauptkommissar, als mir im letzten Moment einfiel, dass das inzwischen mein Posten war.
»Ja, wir übernehmen die Kosten. Vielleicht ist es das Beste, wenn wir nach Espoo fahren und Sie gleich auf dem Präsidium vernehmen.«
Natürlich konnte ich auch die åländische Polizei um Amtshilfe bitten, doch die erste Vernehmung wollte ich selbst führen.
Ich wandte mich an Mikke Sjöberg.
»Und du … Wie ich höre, willst du das Land für mehrere Monate verlassen. Du wirst deine Reise verschieben müssen.«
»Für wie lange?«
»Das kann ich noch nicht sagen. Im günstigsten Fall nur für ein paar Tage.«
Mikke zuckte unverbindlich mit den Schultern.
»Natürlich. Juha muss ja auch beerdigt werden«, sagte er gleichmütig.
Nun musste der Rücktransport der Lebenden organisiert werden. Ich selbst wollte mit Anne Merivaara und Katrina Sjöberg im Polizeihubschrauber zurückfliegen, damit Anne möglichst bald nach Hause kam. Ihre offizielle Vernehmung konnte warten. Auch Jiri, der die ganze Zeit über apathisch in der Küche gesessen und die Hand, die Mikke ihm tröstend auf die Schulter legen wollte, brüsk weggeschoben hatte, würde ich erst später vernehmen. Jiri, Riikka und Tapsa sollten mit Puustjärvi im Motorboot der Merivaaras fahren, während ich Koivu anwies, Seija und Mikke auf der »Leanda« Gesellschaft zu leisten.
»Nehmt den Motor, damit ihr schneller vorankommt«, sagte ich zu Mikke, bevor ich in den Hubschrauber kletterte.
»Und wenn ich nicht genug Treibstoff habe?«, gab
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