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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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er zurück.
    »Das kauf ich dir nicht ab, immerhin wolltest du bis nach Afrika«, erwiderte ich. Mikke grinste und stiefelte zum Hafen, ich stieg in den Helikopter und versuchte meine Gedanken zu sammeln. Als sich der Hubschrauber über das Meer hob, drehte ich mich um und schaute auf Rödskär hinunter. Das Letzte, was ich sah, war Juha Merivaaras Leiche, die auf einer Bahre zum Hafen getragen wurde.
    Vier
    Während des Fluges herrschte Schweigen. Anne Merivaara hielt die Augen geschlossen, auf ihrer Stirn standen Schweißperlen.
    Katrina Sjöberg starrte unverwandt in den Nebel, in dem nicht einmal die Positionslichter der Boote auszumachen waren.
    Ich hatte von der Insel aus im Präsidium angerufen und Puupponen und Wang gebeten, sich bereitzuhalten, damit wir sofort nach der Landung mit den Vernehmungen beginnen konnten.
    Obwohl der Hubschrauber so heftig schlingerte, dass es mir vorkam, als würde sich mein Gehirn in Haferschleim verwan-deln, versuchte ich eine Liste der wichtigsten Fragen aufzustellen. Als wir die Schären vor der Küste überflogen und der Nebel allmählich aufriss, rief Anne plötzlich ins Mikrophon:
    »Juha wusste immer, was zu tun ist. Letztes Jahr, als wir Harri gefunden haben, hat er gleich gewusst, wen man anrufen muss und dass man nichts berühren darf. Jetzt ist er nicht mehr …«
    Katrina Sjöberg und ich sahen uns an. Erst jetzt ging mir auf, dass es ein Fehler gewesen war, Anne von ihrer Familie zu trennen. Wir würden lange vor dem Motorboot eintreffen, und Anne konnte auf keinen Fall allein nach Hause fahren. Ich musste einen Begleiter für sie finden.
    Von oben sahen Soukka und Kivenlahti wie Spielzeugdörfer aus. Nach einem scharfen Bogen in nordöstlicher Richtung überflogen wir unser Haus in Henttaa. Ich sah die schwer behangenen Vogelbeerbäume auf unserem Hof und dachte daran, dass wir uns für heute vorgenommen hatten, die Beeren zu pflücken und Vogelbeerwein anzusetzen. Allerdings wäre bei dem Regen ohnehin nichts daraus geworden. Antti und Iida waren offenbar trotz des schlechten Wetters unterwegs, denn der Kinderwagen stand nicht auf der Veranda.
    Kriminalmeister Anu Wang wartete am Rand der Landefläche.
    Vermutlich würde sie mit Anne Merivaara besser umgehen können als Lähde oder Puupponen, nicht weil sie eine Frau war, sondern weil sie ein Gespür dafür hatte, wann man schweigen und wann man reden musste, eine Gabe, über die zum Beispiel auch Koivu verfügte. Ich bat Anu also, Anne Merivaara nach Hause zu bringen und dort zu warten, bis Jiri und Riikka eintrafen. Dann überlegte ich, wieso ich davon ausging, dass die Kinder sich um ihre Mutter kümmerten und nicht umgekehrt.
    Vielleicht, weil sie so zerbrechlich wirkte; sie war einige Zentimeter kleiner und mindestens zehn Kilo leichter als ich.
    Ihre Handgelenke waren zart wie die eines Kindes. Riikka, groß und selbstsicher wie ihr Vater, schien diejenige zu sein, die die Verantwortung übernahm, das war wohl in vielen Familien die Aufgabe der ältesten Tochter.
    Nach dem Flug brauchte ich unbedingt Kaffee und belegte Brote. Ich bestellte beides in den Vernehmungsraum zwei, wo Puupponen bereits wartete.
    Er schaltete das Aufnahmegerät ein, ich sprach Zeit und Ort sowie die Namen der vernehmenden Beamten aufs Band und bat Katrina Sjöberg, ihre Personalien anzugeben.
    »Katrina Wilhelmina Sjöberg, ehemalige Merivaara, geborene Sjöberg. Geboren am 25. Januar 1934 in Föglö auf Åland. Dort lebe ich auch heute. Beruf Kunsthandwerkerin. Ich webe, gestalte Strohblumengestecke und Schmuck. Ab und zu vertrete ich unseren Kantor, und einmal wöchentlich arbeite ich ehren-amtlich in der Kommunalbibliothek.«
    Die Anfangsroutine der polizeilichen Vernehmung schien sie zu amüsieren, obwohl der Tod ihres Stiefsohns sie zweifellos erschüttert hatte. Vielleicht lag es daran, dass sie die Situation als unwirklich empfand. Bei einem plötzlichen Todesfall konnte es lange dauern, bis man das Ereignis wirklich begriff, und eine polizeiliche Vernehmung war für die wenigsten alltäglich.
    »Ihr habt also Grund zu der Annahme, dass Juha weder einen Unfall noch einen Herzinfarkt erlitten hat?«, fragte sie, bevor ich mit der eigentlichen Vernehmung beginnen konnte.
    »Wieso einen Infarkt? Hatte er Probleme mit dem Herzen?«
    »Im letzten Winter hatte er zwei schwere Anfälle. Vom Stress, wie es hieß, aber die erbliche Veranlagung spielt sicher auch eine Rolle. Die Männer in unserer Familie sind alle herzkrank

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