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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Aufsichtsrats wirst du mir sicher sagen können, wer der Besitzer der Mare Nostrum ist.«
    »Irgendeine litauische Firma … Wahrscheinlich wurde der Firmensitz außer Landes verlegt, weil die Verhältnisse in Litauen so instabil sind.«
    »Die Mare Nostrum hat die Aktien bereits im Frühjahr 1991
    erworben, also bevor Litauen unabhängig wurde«, sagte ich kühl. »Unter sowjetischer Herrschaft war ein solcher Handel kaum möglich. Was ist das für eine seltsame Geschichte?«
    Anne sah noch erschöpfter aus als zuvor, auf ihrer Stirn und rund um die Augen bildeten sich tiefe Falten.
    »Es war wohl ursprünglich ein finnisches Unternehmen, das dann an Litauer verkauft wurde. Anfang der neunziger Jahre gab es große Schwierigkeiten, Juha hatte kein Geld, um Mikkes Aktien zu übernehmen, wollte die Firma aber auch nicht mit jemandem teilen, der nicht zur Familie gehörte. Wir haben vergebens versucht, die Enckells als Aktionäre zu gewinnen.
    Dann hat Juha die Leute von der Mare Nostrum kennen gelernt, bei einem Segeltörn auf Gotland, ich bin damals nicht mitgefahren.«
    »Wie ist es möglich, dass der Kaufvertrag in den Geschäftspa-pieren fehlt?«
    »Wahrscheinlich liegt er im Banksafe. Fragt Finanzdirektor Halonen, er wird es wissen!« Annes Gelassenheit bröckelte, sie war sichtlich erleichtert, als Paula Saarnio mit dem Tee hereinkam. Diesmal entströmte der Kanne Kamillenduft.
    »Als Aktionärin und Aufsichtsratsmitglied musst du doch den Hintergrund der Mare Nostrum kennen. Oder hat Juha nie etwas darüber gesagt?«
    Sie hielt die Teetasse mit beiden Händen umfasst, als wolle sie sich wärmen.
    »Die Aufsichtsratssitzungen sind nicht weiter bemerkenswert gewesen. Heikki, also Finanzdirektor Halonen, hat nach Juhas Anweisungen gehandelt, und Marcus Enckell ist eher aus Loyalität dabei, weil er damals die Aktien nicht kaufen und seinem Vetter aus der Klemme helfen konnte. Ich habe mich in den letzten Jahren nur um die PR gekümmert, nicht um die Finanzen.«
    »Willst du damit sagen, dass du tatsächlich nicht weißt, wem die Mare Nostrum gehört? Hast du dich nie dafür interessiert?«
    Ihre Augen verschwammen, doch sie hob den Kopf und sah mich an.
    »So ist es. Es war damals eine schwierige Zeit für mich.
    Vielleicht steckte ich in der Midlife-Crisis. Ich fing an zu grübeln, was ich vom Leben erwartete, ob ich es im Lackgeruch verbringen wollte, ständig bemüht, Juhas Kollisionen mit der Welt auszubügeln, oder ob es andere Möglichkeiten gab. Auf verschiedenen Wegen habe ich versucht, zu mir selbst zu finden: durch Bücher über spirituelle Entwicklung, durch Fasten und Meditation. Um die gleiche Zeit begann Riikka sich für Umweltschutz und Vegetarismus zu interessieren. Damals habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich noch mit Juha zusammenle-ben will, oder ob ich ihn verlasse. Ich habe mich dann entschieden zu bleiben und beschlossen, gewisse Dinge zu ignorieren, etwa Juhas Angewohnheit, Geschäftsfreunde ins Bordell einzuladen.«
    Ihre Stimme war leise und kühl, doch es fiel mir schwer, ihr zu glauben. War es ihr wirklich gleichgültig gewesen, wer die Aktien des Familienunternehmens erwarb? Hatte sie es fertig gebracht, vor gewissen Dingen die Augen zu verschließen wie die Eltern eines drogenabhängigen Teenagers: Was man nicht sieht, das existiert nicht?
    So etwas gab es. Vielleicht hatte ich mich gegenüber Ströms Alkoholproblem auch nicht viel anders verhalten.
    »Marcus Enckell weiß also genauso wenig wie du?«, fragte ich. Allem Anschein nach verschwendete Puustjärvi mit dem alten Mann seine Zeit.
    »Marcus leidet seit zwei Jahren an Alzheimer. Wahrscheinlich kann er nicht einmal an Juhas Beerdigung teilnehmen.«
    Demnach war Enckell möglicherweise nicht rechtsfähig. Anne hielt daran fest, dass Finanzdirektor Halonen als Juhas Vertrau-ensmann genauestens über die Firmenangelegenheiten informiert sei.
    »Ich habe mir überlegt, ihm nach der Beerdigung den Posten des stellvertretenden Geschäftsführers anzubieten. Allein kann ich die Firma nicht leiten, dazu fehlt mir die Kraft. Ich muss das mit den Kindern besprechen. Am liebsten würde ich alles verkaufen und nur Rödskär behalten.«
    »Rödskär ist Eigentum der Merivaara AG, demnach besitzt die Mare Nostrum auch von der Insel zwölf Prozent. Höchste Zeit, sich über die Aktionäre zu informieren.« Ich stand auf, um mich Koivu und Halonen anzuschließen, doch Anne fasste mich am Handgelenk.
    »Ich möchte nicht, dass du mich für

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