Der Wind über den Klippen
dass es sich nur um vage Gerüchte handelt, die sich nicht direkt gegen eine bestimmte Person richten. Pertsa bestreitet, etwas davon zu wissen.«
»Hast du ihn rundheraus gefragt? Natürlich streitet er es ab.
Sei nicht so naiv, Maria. Pertti hat dir die Beförderung mehr als übel genommen. Er weiß, dass seine Karriere in diesem Haus vorbei ist, und versucht auch deine Chancen zu zerstören.«
»Willst du behaupten, er hätte Väätäinen angestiftet, mich der Bestechung zu bezichtigen? Das kann ich nicht glauben. Pertsa hasst den Kerl, mit solchen Typen würde er sich nie auf einen Handel einlassen.«
Während viele altgediente Polizisten sich im Lauf ihrer Karriere mit Kriminellen angefreundet und gelernt hatten, so zu denken wie sie, hatte Pertsa sich immer bemüht, genau zwischen uns und den anderen, zwischen Polizei und Verbrechern zu unterscheiden. Es hatte ihm schwer zugesetzt, dass die Kriminellen heute nicht mehr das gleiche Spiel spielten, sondern die Regeln zu ihren Gunsten auslegten.
»Vielleicht wollte Suurpää lediglich unsere Reaktionen testen.
Offenbar hat jeder, den er befragt hat, beteuert, unser Dezernat wäre froh, Ström loszuwerden«, sagte ich in einem Ton, der mir einen überraschten Blick von Taskinen eintrug.
»Würdest du dich etwa nicht freuen?«
»Ich weiß es nicht!«, sagte ich verdrossen. »Entschuldige bitte, ich muss ein paar Dinge überprüfen, bevor ich zur Merivaara AG fahre.«
Taskinen stand beleidigt auf. Das Leben ist merkwürdig, dachte ich, als sich die Tür hinter ihm schloss. Da stritt ich mich nun mit meinem geliebten und verehrten Chef, der mich immer unterstützt hatte, über Pertti Ström. Über Pertti, der behauptet hatte, ich sei nur deshalb befördert worden, weil ich eine Affäre mit Taskinen hätte – was nicht stimmte. Mitunter kam mir allerdings der Verdacht, Taskinen hätte nichts dagegen gehabt, wenn an dem Gerücht etwas drangewesen wäre – und wenn ich ganz ehrlich war, musste ich zugeben, dass es mir bisweilen auch so ging.
Koivu hatte sich vergewissert, dass Finanzdirektor Halonen und Anne Merivaara anwesend waren. Er sollte Halonen übernehmen, während ich versuchen wollte, von Frau zu Frau mit Anne zu sprechen. Ich fragte mich, woher sie die Kraft nahm zu arbeiten, nachdem ihr Mann ermordet und ihr Sohn der Brandstiftung beschuldigt worden war.
Die Empfangsdame bat Koivu, in der Eingangshalle zu warten, Finanzdirektor Halonen werde gleich da sein. Ich wurde von Paula Saarnio, der Sekretärin, abgeholt und in die obere Etage geführt. In einer Ecke ihres Büros ratterte ein Faxgerät, doch sie warf keinen Blick auf das Papier, das es ausspuckte. Anne Merivaara war in das Büro des Geschäftsführers umgezogen, wo sie gerade telefonierte, offenbar mit einem deutschen Geschäftspartner.
»Ja. Sehr gut. Vielen Dank, Herr Dr. Schubert. Auf Wiederhö-
ren!« Anne lächelte müde, stand auf und gab mir die Hand. Ihre zarte Haut spannte sich an Wangen und Schläfen, das Make-up konnte die dunkelvioletten Schatten unter ihren Augen nicht verdecken.
»Paula, würdest du für Dr. Schubert bitte ein Doppelzimmer für die beiden Nächte vor und nach Juhas Beerdigung reservieren, wenn möglich, im Tapiola Garden. Und jetzt schalte bitte meinen Apparat ab und bring uns Tee. Vielleicht möchte die Hauptkommissarin etwas essen?«
»Nein danke.«
»Wie gehen die Ermittlungen voran?«
»Wir machen Fortschritte«, schwindelte ich unverfroren. Anne nickte und sagte, das sei eine Erleichterung für sie. Sie sprach gefasst, doch ich musste unwillkürlich an ein wackliges Glas denken, das jederzeit vom Tisch kippen und zerschellen kann.
Dennoch hielt ich mich nicht mit belanglosem Geplauder auf, sondern setzte mich in einen der beiden Sessel und kam direkt zur Sache:
»Ich hätte gern genauere Angaben über die Besitzverhältnisse der Merivaara AG, speziell darüber, wem der Anteilseigner Mare Nostrum gehört.«
Annes Blick schweifte durch den Raum. Seit meinem letzten Besuch war die Ahnengalerie an der Wand um ein Schwarzweißfoto von Juha Merivaara erweitert worden. Das Schild mit Namen und Lebensdaten fehlte allerdings noch. Die Aufnahme zeigte Juha mit Kapitänsmütze, er blickte mit vorgerecktem Kinn in die Ferne.
»Geht das nicht aus den Firmenpapieren hervor? Dein Kollege hat doch alles mitgenommen.«
»Seltsamerweise nicht. Die Adresse der Firma ist ein Postfach in einer bekannten Steueroase. Aber als Aktionärin und Mitglied des
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