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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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Gedanken probte er seine Rede, die er nach der Prüfung halten würde – vergesst nie, dass ihr bei der nächsten Großen Prüfung im kommenden Jahr eine neue Chance bekommt und alles, was ihr verloren habt, zurückerhalten könnt. Ja, wenn man alles recht erwog, war dieses das bestmögliche System, das konnte niemand leugnen. 
    Sein umherschweifender Blick fiel auf die Gruppe aus dem Internatslehrgang, die zusammen saß, weil sie unter besonderer Beobachtung stand. In ihren Gesichtern sah er die gleiche Verzweiflung wie jedes Jahr und Maslo Inch dachte, dass doch alles seine Ordnung hatte. Wie kommt es nur, dachte er, dass es manche Leute nie lernen? Man muss sich nur ein wenig anstrengen, ein bisschen zusammenreißen. Und inmitten dieser Gruppe saß Hanno Hath, den Kopf in den Händen. Dieser Mann war wirklich eine Schande für Aramanth. Aber immerhin hatten sie ihn jetzt unter Kontrolle. 
    Maslo Inch ließ den Blick über die Arena zu dem Bereich wandern, wo die Familien aus dem Grauen Bezirk saßen. Dort entdeckte er Haths Frau – grau gekleidet, die Hände im Schoß gefaltet, so fügsam, wie man sie sich nur wünschen konnte. Er schaute zu den Kinderplätzen hinüber, wo die verlässliche Mrs. Chirish mit dem Hath-Kind auf dem Schoß saß. Er hatte damit gerechnet, dass das Kind Schwierigkeiten machen würde, doch es schien sich still zu verhalten – sicher aus Ehrfurcht vor der tiefen, arbeitsamen Stille, die in der Arena herrschte. 
    So hat sich dieses schwierige Problem endlich gelöst, sagte Maslo Inch zu sich selbst. Der Stolz der Familie Hath war wirklich und wahrhaftig gebrochen. 
    Hoch oben im Turm über dem Kaiserpalast aß der Kaiser trübsinnig seine Schokoladenbonbons und schaute auf die verlassenen Straßen der Stadt hinunter. Vor einer Weile hatte er beobachtet, wie die Prüflinge mit ihren Familien angekommen waren, und er hatte ihre Angst und Sorge gespürt. Der Kaiser hasste den Tag der jährlichen Großen Prüfung. Er hatte Tausende von Stimmen den Gelöbniseid aufsagen hören und sich an der Stelle »aus Liebe zu meinem Kaiser« die Ohren zugehalten. Seit einer Stunde war alles so still, als wäre die Stadt ausgestorben. 
    Doch jetzt glaubte er ein neues Geräusch zu hören: weit entfernt, ganz schwach, aber dennoch… Konnte es die Musik einer Kapelle sein? Er lauschte angestrengt. Wer wagte es am Tag der Großen Prüfung, Musik zu machen? 
    Als er dann auf die Straßen unten blickte, entdeckte er etwas Merkwürdiges: Ein Gullydeckel öffnete sich und ein schlammbedecktes Kind kroch heraus, dem zwei weitere folgten. Sie schauten sich um, schienen einen Moment lang etwas verwirrt zu sein und liefen dann in Richtung der Arena. Der Kaiser beobachtete sie und hatte das Gefühl, eines von diesen Kindern zu kennen. War das nicht das Mädchen…? 
    Plötzlich tauchte ein gut aussehender junger Bursche in einer weißgoldenen Uniform aus dem Gully auf, dann ein zweiter und ein dritter. Hinter ihnen kam auf einmal eine ganze Kolonne von ihnen die Straße entlang, angeführt von einer Marschkapelle. Dem Kaiser fielen fast die Augen aus dem Kopf, wie angewurzelt stand er da. Das hier brauchte ihm keiner zu erklären. Das war die Armee der Saren. 
    Immer mehr von ihnen marschierten aus Nebenstraßen heran, sie kletterten aus Abwasserkanälen, um sich der Hauptkolonne anzuschließen. Nun begannen sie beim Marschieren zu singen, ein Lied, dessen Text aus nur einem Wort bestand: »Töten, töten, töten, töten! Töten, töten, töten!« 
    Dem Kaiser war klar, dass er sie irgendwie aufhalten musste. Aber wie? Er konnte sich nicht rühren. Unbewusst nahm er eine Hand voll Schokoladenbonbons aus der Schale, aß sie ohne etwas zu schmecken und weinte beim Essen. 
    Die Kinder rannten ans Denkmal von Creoth dem Ersten vorbei, stürmten durch den Säuleneingang der Arena und blieben keuchend auf dem obersten Rang stehen. Obwohl sie keine Zeit zu verlieren hatten, versetzte sie der Anblick der mehreren Tausend still über die Tische gebeugten Prüflinge in Ehrfurcht und so zögerten sie einen entscheidenden Moment lang und rangen nach Atem. 
    In genau diesem Moment entdeckte Maslo Inch sie. Er war empört. Nichts durfte die geheiligte Stille der Großen Prüfung stören. Wegen ihres lächerlich frisierten, strähnigen Haares und ihrer schlammbedeckten Füße erkannte er die drei verschmutzten Gören nicht. Es reichte, dass sie hier unerlaubt eingedrungen waren. Er gab seinen Assistenten ein Zeichen,

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