Der Windsänger
Er hielt es hoch, damit Mumpo sich darin betrachten konnte. Mumpo starrte das verzerrte Spiegelbild seiner neuen Frisur an und seufzte zufrieden.
»Danke«, sagte er. »Ich wusste, dass Sie es gut machen würden.«
Das Trampeln vieler Füße draußen auf dem Gang holte Wächter und Gefangene in die Wirklichkeit zurück. Jemand hämmerte an die Tür. Schnell machte Salimba ein strenges Gesicht und schloss die Tür auf.
»Aufstehen, Gefangene!«, brüllte er.
Die Kinder erhoben sich.
Herein kam ein älterer Baraka mit einem langen, geflochtenen grauen Bart und langem, geflochtenen grauen Haar. Hinter ihm hatte sich ein Trupp von zwölf Soldaten mit vor der Brust verschränkten Armen aufgebaut. Der grauhaarige Mann blickte Mumpo überrascht an, zog es jedoch vor, nichts zu seinem leuchtend bunten Kopfschmuck zu sagen.
»Ich bin Kemba, Berater von Raka dem Neunten, dem Kriegsherrn der Barakas, Oberhaupt von Ombaraka, Oberkommandant der Windkrieger und Herrscher der Ebene«, verkündete er. »Wächter, lass uns allein!«
»Ja, Berater.«
Salimba verließ die Zelle und zog die Tür hinter sich zu. Kemba trat ans Fenster, schaute hinaus und betastete seinen perlenbesetzten Gürtel. Dann seufzte er und drehte sich zu den Kindern um.
»Euer Erscheinen hier kommt äußerst ungelegen«, erklärte er. »Aber wir werden euch wohl hängen müssen.«
»Wir sind keine Chakas«, protestierte Kestrel.
»Natürlich seid ihr Chakas. Wenn ihr keine Barakas seid, seid ihr Chakas. Und wir kämpfen gegen alle Chakas, bis zum Tod.«
»Wir kommen aus Aramanth.«
»Unsinn! Sei nicht albern. Ihr seid Chakas und ihr müsst hängen.«
»Sie können uns nicht hängen!«, rief Kestrel aufgebracht.
»Da hast du sogar zufällig Recht«, sagte der Berater, mehr zu sich selbst als zu ihr. »Wir können euch wegen des Abkommens nicht hängen. Andererseits können wir euch aber auch nicht am Leben lassen. Oje!« Er tat einen langen, ärgerlichen Seufzer. »Das kommt wirklich in höchstem Maße ungelegen. Aber mir wird schon etwas einfallen. Mir fällt immer etwas ein.« Er klatschte in die Hände, zum Zeichen für die Soldaten vor der Tür. »Aufmachen!« Und zu den Kindern sagte er, als wäre ihm das nachträglich eingefallen: »Ich werde euch Raka vorführen müssen. Das ist eine reine Formsache. Aber alle Todesurteile müssen von Raka persönlich ausgesprochen werden.«
Die Tür öffnete sich.
»Eskortieren!«, befahl Kemba. »Die Gefangenen werden sofort bei Hofe vorgeführt.«
Unter scharfer Bewachung wurden die Kinder über das unterste Deck des riesigen rollenden Ombaraka zu einem Aufzugsschacht in der Mitte gebracht. Hier war die Kabine sehr viel größer als die, in der sie hinuntergefahren waren, so dass die gesamte Eskorte ohne Probleme hineinpasste. Dann ging es quietschend aufwärts, an Leitern und Stegen vorbei, bis zu dem Deck, auf dem sich Rakas Hof befand. Vom Fahrstuhl aus führte sie ihr Weg durch eine prachtvolle Allee in eine der großen Säulenhallen. Unterwegs blieben Passanten stehen, starrten sie hasserfüllt an und zischten, doch als sie Mumpo erblickten, machten sie einfach nur große Augen. Kestrel hörte, wie die Eskorte leise Mumpos Zöpfe beurteilte.
»Viel zu grell«, meinte einer.
»All dieses Orange! So vulgär.«
»Ich möchte zu gern wissen, wie er es geschafft hat, dass sie so abstehen«, sagte ein anderer. »Nicht dass ich es selbst so haben möchte…«
Sie marschierten durch die offene Halle, Türen öffneten sich und sie traten in einen langen Saal. In der Mitte stand ein Tisch, auf dessen Platte eine riesige Landkarte aufgezogen war. Um den Tisch herum hatten sich mehrere wichtig aussehende, finster dreinschauende Männer versammelt – unter ihnen der Kommandant, der die Kinder aus dem zerstörten Landsegler geholt hatte, und Tanaka, Anführer der Streitkräfte, dessen rotes Gesicht von tiefen Furchen durchzogen war. Als sein Blick auf Mumpos neue Zöpfe fiel, machte er ein erstauntes Gesicht.
»Was habe ich gesagt?«, rief er. »Jetzt ist einer von ihnen als Baraka verkleidet!«
Der kleinste der Männer am Tisch stolzierte auf die Kinder zu und musterte sie noch feindseliger als alle anderen im Raum. Raka der Neunte, Kriegsherr der Barakas, Oberhaupt von Ombaraka, Oberkommandant der Windkrieger und Herrscher der Ebene, hatte das Pech, klein zu sein. Dieses Manko machte er durch ein bitterböses Auftreten wett. Seine Zöpfe waren die
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