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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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auch ein Segel in Sicht. Sie verkrochen sich in den Rumpf des zerstörten Landseglers, um unbemerkt zu bleiben, und von ihrem Versteck aus beobachteten sie, was geschah. 
    Aus dem einen Segel wurden mehrere an einer langen Reihe von Masten aufgezogene Segel – kleinere oben, größere unten. Jetzt konnten sie auch die Deckaufbauten erkennen: ein kunstvolles Bauwerk mit einer Reihe von Fenstern und Stegen. Auf den Stegen eilten Menschen hin und her, doch sie waren noch zu weit weg, als dass man sie hätte erkennen können. Das Landschiff schob sich langsam aus einer Senke. Das Geräusch wurde deutlicher: ein gewaltiges, tiefes Rumpeln. Unterhalb der Stege tauchten weitere Segel auf. Und dann ragte eine zweite, sehr viel breitere Etage von Deckaufbauten über dem Sand empor: ein kunterbuntes Durcheinander aus Hütten und Schuppen, die durch Hängebrücken und Holzstege miteinander verbunden waren. Hier liefen ganze Menschenmassen umher, und da das Schiff nun näher gekommen war, konnte man hören, wie Kommandos gerufen wurden. Die Leute trugen lange, wallende Gewänder und schwangen sich elegant mit bauschenden Röcken von einem Stockwerk zum anderen. 
    Bei sinkender Sonne kroch das gigantische Schiff knarrend eine Anhöhe hinauf. Unzählige Segel blähten sich im Wind. 
    Vor den ängstlich staunenden Kindern kam eine dritte Etage von Aufbauten in Sicht. Diese war viel schöner als die beiden oberen: Reihenhäuser mit aufwändig geschnitzten Fenstern und hübschen Portiken waren um drei an den Seiten offene Säulenhallen herum angeordnet. Die riesigen Masten ragten durch diese Gebäude und die beiden höheren Stockwerke hindurch bis zu den obersten Segeln und Flaggen an der Spitze. Und das immense Gebilde wuchs weiter an, während es den. Hügel erklomm und auf den gestrandeten Landsegler zuhielt. Inzwischen war der Lärm ohrenbetäubend geworden – ein Ächzen und Rattern und Knarren, das die ganze Welt zu erfüllen schien. Bald verdeckte das Gefährt den Himmel über ihnen. Nun sahen sie die Räder, auf denen es sich fortbewegte 
    – jedes von ihnen war höher als ein Haus. Zwischen den Rädern gab es eine weitere Etage, auf der sich Lagerräume, Fabriken, Bauernhöfe und Schmieden befanden, die durch Laufplanken und kleine Wege verbunden waren. Das hier war kein Landschiff, sondern eine ganze Stadt auf Rädern, eine rollende, windgetriebene Welt. 
    Trotz seiner ungeheuren Größe steuerte das gewaltige Schiff präzise auf den gestrandeten Landsegler zu. Den Kindern blieb nichts anderes übrig, als in ihrem Versteck sitzen zu bleiben und zu hoffen, dass sie von dem vorbeifahrenden Ungetüm nicht zerquetscht wurden. Doch es fuhr nicht vorbei. Als sein Schatten über sie fiel, hörten sie neue Kommandos von Etage zu Etage schallen. Alle hundert Segel wurden eingeholt und der Koloss kam bebend und quietschend zum Stehen, die vorderen Räder nur wenige Meter von den Kindern entfernt. 
    Sie hörten weitere Kommandos. Hoch über ihnen wurde ein hölzerner Kranarm ausgeschwenkt, von dessen Ende sich zwei riesige Eisenklauen herabsenkten. Die Kranführer waren offensichtlich sehr geschickt. Bevor die Kinder begriffen, was geschah, hatten sich die Klauen um den Landsegler geschlossen und sie wurden mit einem heftigen Ruck in die Luft gehoben. 
    Während sie immer weiter in die Höhe gezogen wurden, sahen sie auf dem Mutterschiff Menschen, die fuchtelnd auf sie zeigten. Der Arm des Krans wurde eingeschwenkt und der zertrümmerte Landsegler durch einen Schacht in den oberen Decks ruckweise auf ein niedrigeres Deck hinuntergelassen. Schon waren der Befehl zum Weiterfahren erteilt und die Segel gesetzt und das ganze riesenhafte Gefährt rumpelte weiter. Als der Landsegler auf dem Deck lag, stellten die Kinder fest, dass Männer mit grimmigen Gesichtern und vor der Brust verschränkten Armen sie umzingelten. Alle sahen gleich aus: Sie waren groß und bärtig, trugen sandfarbene Gewänder mit Ledergürteln und hatten die langen Haare zu Hunderten von kleinen, mit bunten Fäden durchzogenen Zöpfen geflochten. 
    »Raus!«, befahl einer der Männer. 
    Die Kinder kletterten aus dem Landsegler. Sofort wurden sie gepackt und festgehalten. 
    »Chaka-Spione!«, rief der Kommandant und spuckte verächtlich auf das Deck. »Saboteure!« 
    »Bitte, Sir…«, begann Kestrel. 
    »Ruhe!«, brüllte der Kommandant. »Chaka-Pack! Ihr sprecht erst, wenn ich es euch sage!« 
    Er drehte sich zum Landsegler um. Einige seiner Leute

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