Der Windsänger
einzigen in ganz Ombaraka, in die winzige Stahlklingen eingeflochten waren, die aufblitzten, wenn er den Kopf bewegte. Kreuz und quer über seinem Gewand spannten sich Gürtel und Riemen, in denen Messer und Schwerter in allen Größen steckten. Jede seiner Bewegungen wirkte so aggressiv, als wollte er die ganze Welt zum Kampf fordern, und seine Stimme klang wie ein Bellen.
»Chaka-Spione!«
»Nein, Sir…«
»Du wagst es, mir zu widersprechen? Ich bin Raka!«
Der Mann war von einem so heftigen Zorn erfüllt, dass Kestrel kein Wort mehr sagte.
»Kommandant!«
»Ja, Mylord.« Tanaka trat vor.
»Sie haben eine Schlachtkorvette zerstört?«
»Ja, Mylord.«
»Dafür werden die Chakas büßen!« Er knirschte mit den Zähnen und stampfte mit dem Fuß auf. »Ist Omchaka in Reichweite?«
»Nein, Mylord.« Dies sagte einer der Männer am Landkartentisch. Er berechnete etwas in Windeseile. »Ein Tag mindestens, Mylord.«
»Auf Abfangkurs gehen!«, brüllte Raka. »Sie haben mich provoziert. Sie sind selbst schuld.«
»Ihr wollt gegen sie kämpfen, Mylord?«, fragte Kemba leise.
»Ja, Berater! Sie müssen lernen, dass ich mit zehnfacher Kraft zurückschlage, wenn sie mich angreifen!«
»Ganz recht, Mylord.«
Schon wurden Kommandos gerufen und selbst die Kinder merkten am Knirschen und Zittern der Holzbalken um sie herum, dass Ombaraka den Kurs änderte.
»Kommandant! Angriffsflotte bis zum Morgengrauen klarmachen!«
»Zu Befehl, Mylord!«
»Und was machen wir mit den Chaka-Spionen, Mylord?«
»Hängen, natürlich.«
»Ich weiß nicht, ob das klug ist«, wandte Kemba nachdenklich ein.
»Klug? Klug?«, kreischte der kleine Kriegsherr. »Was reden Sie da? Natürlich ist es klug! Was sollte man sonst mit Spionen machen?«
Kemba trat näher und flüsterte seinem Herrn ins Ohr: »Sie verhören. Die Geheimnisse der gegnerischen Flotte herausbekommen.«
»Und sie danach hängen?«
»Ganz recht, Mylord.«
Der kleine Kriegsherr nickte und schritt grübelnd durch den Saal. Alle warteten reglos und schweigend.
Schließlich blieb er stehen und gab mit lauter Stimme seine Entscheidung bekannt: »Die Spione werden zuerst verhört und dann gehängt.«
Wieder murmelte ihm Kemba etwas ins Ohr: »Ihr müsst ihnen sagen, dass sie nicht gehängt werden, wenn sie mit uns zusammenarbeiten, Mylord. Sonst werden sie nichts preisgeben.«
»Und sie dann hängen?«
»Ganz recht, Mylord.«
Raka nickte und verkündete mit lauter Stimme: »Die Spione werden nicht gehängt, wenn sie mit uns zusammenarbeiten.«
Tanaka rang vor Empörung nach Luft. »Nicht gehängt, Mylord?«
»Hier geht es um Spionageabwehr, Kommandant«, entgegnete Raka barsch. »Davon verstehen Sie nichts.«
»Ich verstehe, dass der Berater vor der Erfüllung seiner Pflichten zurückschreckt«, sagte Tanaka mit verletztem Stolz.
Raka zog es vor, diese Bemerkung zu überhören. »Schaffen Sie sie weg, Berater«, wies er Kemba an und machte eine scheuchende Handbewegung. »Verhören Sie sie.« Dann trat er wieder an den Tisch mit der Landkarte. »Sie und ich, Kommandant, haben eine Schlacht vorzubereiten.«
Die Kinder wurden in ihre Gefängniszelle zurückgebracht. Dort durften die Wächter wegtreten, doch Kemba selbst blieb.
»Ich habe etwas Zeit herausgeholt«, erklärte er. »Aber die brauche ich auch, um einen Ausweg aus unserem Dilemma zu finden. Ich werde sie keinesfalls damit vergeuden, euch nach den Geheimnissen der Kriegsflotte von Omchaka auszufragen.«
»Wir kennen die Geheimnisse der Kriegsflotte von Omchaka gar nicht.«
»Das ist auch nicht wichtig. Das Dilemma ist Folgendes: Wir können euch nicht hängen ohne das Abkommen zu brechen. Aber wir können euch auch nicht am Leben lassen ohne unsere Vorfahren und ganz Ombaraka zu entehren. Wir haben geschworen unsere Toten mit Chaka-Blut zu rächen. Bis jetzt hat uns das noch keine Probleme bereitet, denn wir hatten noch nie Gefangene aus Omchaka. Und ihr könnt mir glauben, ich wünschte, wir hätten auch jetzt keine.«
Er erklärte ihnen das Problem: Die beiden verfeindeten Völker hatten vor einiger Zeit ein Abkommen getroffen, um das ewige Blutvergießen zwischen den Barakas und den Chakas einzudämmen. Dieses Abkommen besagte ganz einfach, dass kein Chaka-Blut mehr von Baraka-Kriegern vergossen werden würde, wenn nicht vorher Baraka-Blut vergossen worden war, und umgekehrt.
»War der Krieg damit zu
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