Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
liegt Schnee und Maria setzt ihre Schritte vorsichtig. Ich parke dort hinten, wir müssen schnell sein, der Wagen steht im Halteverbot, sagt Manfred und geht los. Maria ist zuerst zwei Schritte hinter ihm, holt ihn aber schnell ein. Sie steckt ihre Hände in die Manteltaschen, nimmt sie dann aber heraus, um sich abstützen zu können, falls sie stürzt. Sie sagt: Ich habe meine Handschuhe vergessen. Manfred sagt: Wir leihen dir welche. Sie fragt: Seit wann gibt es die Pizzeria nicht mehr. Der Bahnhofsitaliener hat vor einem halben Jahr geschlossen. Wer will schon am Bahnhof Pizza essen, antwortet Manfred. Als er das Auto startet, stellt er das Radio leiser. Mich stört es nicht, sagt Maria. Aber mich, antwortet Manfred, ich möchte keine Nachrichten hören. Schön, dass du gekommen bist, das Kind freut sich und deine Schwester auch. Am Berg zum Haus hinauf darf das Auto nicht zu langsam werden, erklärt Manfred jedes Jahr, sonst bleibt es hängen, wir müssen Schwung nehmen, eins, zwei, drei, los. Wenn Manfred gut gelaunt ist, zieht er in der Kurve die Handbremse, und Maria sucht jedes Mal nach dem Haltegriff über dem Fenster. Wie deine Schwester, sagt Manfred dann. Das Auto hat eine Sitzheizung, die Maria nach unten dreht. Ist das nicht ungesund, hatte sie beim ersten Mal gefragt. Für Männer, sagte Manfred, bei Frauen kann es da nichts haben. Die Lichterketten auf dem Haus werden von Jahr zu Jahr mehr, in diesem Jahr hängt vom Badezimmerfenster im ersten Stock ein Weihnachtsmann. Er hängt auf einer Strickleiter, auf dem Rücken ein goldener Sack, er schaut beim Fenster hinein. Nein, sagt Maria, als sie den Weihnachtsmann sieht, und schlägt mit der Hand auf ihre Stirn. Doch, sagt Manfred, doch.
Ein Kuss auf die Wange, ein Kuss auf den Mund. Mit einem Kuss begrüßt das Kind Maria. Groß bist du geworden, sagt Maria jedes Mal, nachdem sie das Kind geküsst hat. Von der Schwester wird Maria umarmt, auch von dem Kind, das sich an ihr Bein klammert und es eine Weile nicht loslassen wird. Komm herein, sagt die Schwester, du wirst müde sein. Es ist kurz vor Mittag und in der Küche läuft Weihnachtsmusik, Kekse stehen auf dem Tisch, aber niemand darf sie essen, erst am Abend, sagt die Schwester, aber am Abend werden sie alle satt sein und niemand wird Kekse wollen. Die Kekse werden jedes Jahr hart. Maria holt aus ihrer Tasche eine weitere Dose, das wäre doch nicht nötig gewesen, sagt die Schwester. Darf ich in deine Tasche schauen, fragt das Kind. Nein, auf keinen Fall, sagt Maria, und sie zieht den Reißverschluss fest zu. Im Haus riecht es nach Reinigungsmittel. Lass uns essen, sagt die Schwester, und nach dem Mittagessen wollt ihr beide bestimmt eine Runde spazieren gehen. Maria nimmt auf der Bank neben dem Kind Platz. Gib die Füße runter, sagt die Schwester zu dem Kind, und Maria richtet sich auf, versucht, ordentlich zu sitzen. Manfred, ruft die Schwester, komm, wir essen. Als Manfred kommt, glitzert er im Gesicht. Die Schwester wischt ihm den Glitzer von der Wange: Bist du bei den Christbaumkugeln gewesen. Das Kind lacht, Maria isst Suppe und möchte nicht daran denken, woran sie denkt.
Wenn Maria mit dem Kind die Siedlung umrundet, sind sie bald bei dem ersten Feld angekommen. Das Kind erzählt Geschichten zu den Nachbarn, auch dieses Jahr, einige kennt Maria bereits. Wie die von dem Nachbarn im Haus gegenüber, der den Kindern Geldscheine zusteckt, wenn sie vor seinem Haus Federball spielen, die hat das Kind bereits im Vorjahr erzählt. Dass vier Häuser weiter eine Hexe wohnt, die mit den Stacheln ihrer Gartenhecke Kinder vergiftet, ist Maria neu, sie wechseln die Straßenseite, als sie sich dem Haus nähern. Wir müssen leise sein, sonst wecken wir sie, sie hat eine große Warze im Gesicht, sagt das Kind. An vielen Häusern baumeln Weihnachtsmänner von den Fenstern, in einem Vorgarten steht ein Rentierschlitten, den Maria und das Kind lange betrachten. Im Dunkeln ist er schöner, sagt das Kind, da leuchten die Lichter. Am Abend werden wir nicht draußen sein, sagt Maria, da besucht uns das Christkind, da müssen wir zu Hause bleiben. Warum, fragt das Kind. Weil uns das Christkind sonst nicht findet, sagt Maria. Dort wohnt meine Freundin Stefanie, sagt das Kind, sie hat viele Stofftiere. Wir haben ihnen Namen gegeben, aber ich habe sie vergessen. Fängst du auch schon an, Dinge zu vergessen, sagt Maria, gib gut acht, irgendwann ist alles weg. Bist du morgen schon wieder weg, fragt das Kind. Ja,
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