Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Betten, und Maria fürchtet jedes Jahr, dass es zusammenklappt, während sie darauf schläft. Das Bett ist bereits gemacht, und sie schüttelt vorsichtig die Bettdecke auf, wie sie es immer macht. Die Bettdecke schlägt Funken. Davon wird Maria am nächsten Tag beim Frühstück erzählen, wenn sie es nicht vergisst, die Sperre und den Berater wird sie auch morgen nicht erwähnen. Statische Aufladung, wird Manfred sagen und in sein Butterbrot beißen. Schön war es trotzdem, wird Maria sagen und in ihren Kaffee blasen. Statische Aufladung, wird Manfred sagen, und wenn das Kind in der Nähe ist, wird es fragen, was das ist. Jetzt liegt Maria in dem kleinen Bett, denkt an Funkenschläge und an Otto, es ist nach Mitternacht. Maria hat auf seine Schachtel im Kühlschrank zwei Tannenzweige gelegt und einen Strohstern. Von Otto wird sie beim Frühstück nicht erzählen. Nur von Funken und dem Kind, das sie wieder viel zu zeitig geweckt haben wird. Wir sind schon lange wach, wird Maria sagen, wenn ihre Schwester im Nachthemd in die Küche kommt und Manfred ihr im Pyjama folgt. Sie wird wegsehen, wenn Manfred die Schwester küsst und ihr einen guten Morgen wünscht. Sie wird sagen: Meine Bettdecke hat Funken geschlagen. Nimm bitte Milch mit, die Butter steht schon auf dem Tisch.
37 Und jetzt
Die Bewerbungen haben Sie abgeschickt, das ist gut. Ich mache eine neue Suchanfrage, aber Sie wissen, dass es besonders im Textilbereich schwierig ist. Der Berater dreht den Bildschirm zur Seite, er sieht Maria an, er sagt: Können Sie sich vorstellen, in einer anderen Branche zu arbeiten, in einer Parfümerie zum Beispiel, im Lebensmittelhandel, in der Feinkost. Maria schüttelt heftig ihren Kopf, nein, sagt sie, ich möchte nicht im Lebensmittelhandel arbeiten, nicht mit Wurst. Ich weiß, sagt der Berater, die wenigsten möchten in den Lebensmittelbereich wechseln, aber Sie wissen, Frau Beerenberger, dass ich Ihnen auch eine Stelle als Reinigungskraft vermitteln kann. Wir müssen uns die Frage stellen, was Ihre Defizite sind. Die Erfahrung können wir ausschließen, gesundheitliche Probleme auch, bleibt nur noch das Alter, sagt der Berater und sieht Maria an. Maria erwidert seinen Blick, sie denkt: Ich habe weniger Falten als du und wische mir die Schuppen von den Schultern, wenn ich einen dunklen Pullover trage. Der Berater sagt: Es wird schwierig, ich möchte Ihnen nicht nahe treten, aber Sie sind über achtundvierzig, da ist es in allen Bereichen schwierig, und vor allem im Textilbereich haben Sie schlechte Chancen. Wenn meine Kollegin wieder zurück ist, sollten Sie mit ihr die Möglichkeit einer Umschulung besprechen, je länger Sie weg vom Markt sind, desto schwieriger wird es. Maria nickt, sie denkt, warum gibt sie mir einen Termin, wenn sie nicht hier ist. Der Mann trägt Schnauzer und eine Brille, wie sie vor zwanzig Jahren in Mode war. Er füllt den Bürosessel besser aus als die Beraterin, denkt Maria, sie fragt: Und jetzt. Ich werde Ihnen ein paar Stellen suchen, auf die Sie sich bewerben. Und bitte drei Eigenbewerbungen pro Woche, Sie müssen aktiv werden, Frau Beerenberger, sonst wird das nichts. Lösen Sie sich davon, im Textilbereich zu verkaufen. In einem Übergrößengeschäft hätten Sie unter Umständen noch Chancen, aber dafür sind Sie zu dünn. Ich weiß nicht, aber vielleicht gibt es eine andere Branche, die Sie schon immer interessiert hat.
Sängerin, denkt Maria, ich wollte Sängerin werden. Sie zuckt mit den Achseln, sie sagt: Ich werde nachdenken. Der Berater ist wieder hinter dem Bildschirm verschwunden. Sie besitzen kein Auto, oder. Nein, sagt Maria. Dann fällt ein Angebot weg, sagt der Berater, ich gebe Ihnen vier mit, plus drei Eigenbewerbungen pro Woche, ich schreibe das in den Betreuungsplan. Der Berater greift nach dem Stempel, er fragt, welcher Tag ist heute, und stellt das Datum ein, er drückt den Stempel sanft aufs Papier. Der Berater sitzt mit dem Rücken zum Fenster, es ist ein sonniger Tag, die Rollläden sind geschlossen, aber irgendwo fällt Licht durch, sodass am Schreibtisch des Beraters vier weiße Punkte in einer Linie entstehen. Was ist das, denkt Maria, sie sucht das Fenster ab, aber der Berater spricht nicht mehr, weswegen sie aufsteht. Sie sagt: Danke, und wartet eine Weile, aber der Berater erhebt sich nicht, und einem sitzenden Berater möchte Maria die Hand nicht entgegenstrecken. Auf Wiedersehen, sagt sie. Auf Wiedersehen, sagt er.
36 Raben oder Krähen
Nein, hier gehe ich
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