Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Weidenholzer
Vom Netzwerk:
Fensterbrett auf die Straße hinaussah. Berti war breiter als lang, was wiederum mit dem Stammtisch und Herrn Nowak zu tun hatte, der dort zu Abend aß. Dann saß Berti gern auf der Stammtischbank, er gab Pfote, er schaute und schleckte Herrn Nowak über die Hand, wenn dieser sie ihm hinhielt. Als Berti krank wurde, stellte Herr Nowak im Bistro eine Spendenbüchse auf. Für Bertis Urne, sagte er und schnitt Berti das Fleisch in kleine Stücke, ich möchte nicht, dass Berti in die Tierverwertung kommt. Für Berti macht das doch keinen Unterschied, sagte Frau Herta, wir werden ihn einschläfern und dann beim Tierarzt lassen. Ich möchte, dass Berti eingeäschert wird, ich möchte, dass seine Urne hier am Fensterbrett steht, sagte Herr Nowak mit Tränen in den Augen. Das ist viel zu teuer, sagte Frau Herta, und was denken die Gäste, wenn wir eine Urne am Fensterbrett stehen haben. Die Gäste, das bin ich, sagte Herr Nowak, und ich komme für die Kosten auf. Gut, sagte Frau Herta, aber ohne Gravur, unauffällig. Maria spendete, und Bertis Asche wurde in einer roten Keramikurne geliefert. Wie ein Aschenbecher, sagte Martha, als sie zum ersten Mal Bertis Urne am Fensterbrett stehen sah. Am Stammtisch wurde zu den Speisekarten ein Foto von Berti und Herrn Nowak gesteckt, das war die Bedingung, dass Herr Nowak weiterhin ins
Bistro Brigitte
kam. Manchmal fragte ein neuer Gast, wo der Hund von dem Foto sei. Frau Herta zeigte hinüber zum Fenster. Es ist schon eine Weile her, sagte sie dann gut gelaunt, um die Kundschaft nicht zu verschrecken. Bertis Urne stand auf dem Fensterbrett, sie wurde regelmäßig abgestaubt, und Herr Nowak wandte ihm den Rücken zu, wenn er aß.
    In den ersten Monaten kam Maria noch regelmäßig zu den Treffen. Ich bin ganz müde von der Arbeit, sagte Martha einmal, hast du den Kunden mit der roten Brille heute gesehen, sagte Angelika, und Maria schwieg, bis sie gefragt wurde: Was machst du jetzt immer, wie geht es dir. Maria sagte, dass sie müde sei, dass sie die Erschöpfung im Rücken spüre. Wie das, sagte Martha, du hast doch frei, du kannst lange schlafen, du brauchst nicht um acht in der Boutique zu stehen, freu dich doch. Erzähl, was gibt es Neues, hast du Arbeit gefunden. Maria sagte: Weißt du, es ist schwierig, ich suche, aber ich bin zuversichtlich, es gibt viele Möglichkeiten. Wie läuft es bei euch, wie geht es Herrn Willert, steht er den ganzen Tag in der Boutique. Maria trank einen Schluck, und sie sah Angelikas Blick, der sagte: Du bist immer schon langsam gewesen. Niemand wird einfach so gekündigt, irgendetwas hat man falsch gemacht. Martha sagte, Herr Willert wacht noch jeden Tag über uns. Sein Sohn kommt jetzt öfter vorbei, wir hoffen, er wird die Boutique übernehmen. Er streitet es ab, aber du weißt, Herr Willert hat nicht mehr lange bis zur Pension, die Zeit läuft. Wir haben umgestellt, es sieht jetzt ganz anders aus, und du, du hast uns noch nie besucht. Weißt du, sagte Maria, ich habe viel zu tun, ich muss Arbeit finden, das nimmt viel Zeit in Anspruch, und Angelika schaute mit diesem Blick, der Maria ihren Kopf senken ließ. In die Tischplatte hatte Frau Herta eingravieren lassen:
Man nehme Phantasie und Überlegung, dazu Tatkraft mit ein wenig Frohsinn, einigen Durst und fange an
. Der Spruch war den Spielern gewidmet, Maria nahm die Speisekarte und legte sie darüber.
    Rabe oder Krähe, was ist der Unterschied, denkt Maria, als sie an einer Krähe vorbeigeht, die in der Erde neben dem Gehsteig pickt. Einen Schritt vor den anderen setzt Maria, sie geht weiter geradeaus, als die Frau mit dem Toilettenpapier vor ihr links abbiegt. Im Oktober wird die Luft kälter, der Oktober bringt den Winter näher. Im Oktober kann es bereits zu erheblichen Kälteeinbrüchen kommen, sagte eine Stimme heute Morgen im Radio, es ist keine Seltenheit. Dieses Jahr hat Maria keine Pelargonien am Balkon, zum ersten Mal keine Blumen, weil sie nicht dazu kam, neue zu kaufen. Mittwoch fahre ich in den Gartenmarkt und kaufe Blumen, hatte Maria an einem Montag im Mai gedacht, dann vergingen die Tage. Wie die Tage vergehen, hatte Walter gesagt, wenn sie auf Urlaub waren und am See lagen, die Sonne auf sie niederschien. Als Maria im August auf ihrem Balkon ohne Blumen stand und ihr einfiel, dass Walter im Urlaub sagte, was sie jetzt dachte, wurde sie wütend. Ich bin nicht auf Urlaub, sagte sie und zog die Rollläden hinunter.
    Maria beschloss an einem Dienstag, nicht mehr zu den Treffen zu

Weitere Kostenlose Bücher