Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
doch herkömmliche Knödel essen. Nein, sagte Walters Mutter, Walter möchte Serviettenknödel, schau nicht so, die Windeln wurden ausgekocht.
Der erste Schub Kaulquappen starb, als Maria das Wasser zu spät wechselte, als es bereits stank. Maria schüttete das Wasser durch ein Sieb in die Badewanne, es war nicht einfach, sie wollte niemanden verletzen. Die lebendigen Kaulquappen zappelten, die toten bewegten sich nicht. Maria überlegte, dann entschied sie, zuerst alle gemeinsam in die Plastikschüssel zu geben, in der Walters Mutter den Krautsalat angerichtet hatte, wo sie dann die Lebenden von den Toten trennte. Um die Lebenden hinüber in die Serviettenknödelschüssel zu heben, holte Maria einen Löffel aus der Küche. Es ist schwierig, zappelnde Kaulquappen mit einem Löffel zu fangen. Nach einer Weile änderte Maria ihre Taktik und fischte die Toten heraus, was einfacher war.
Otto wird heute in den Kühlschrank kommen, das hat Maria gestern Abend beschlossen, als sie nach dem Kurs frierend nach Hause kam. Er braucht seinen Winterschlaf, man muss ihn artgerecht halten, dachte sie. Am Nachmittag hatte sie während der Kurseinheit im Internet nachgesehen, was zu tun sei. Sie hatte dazu zwei Seiten geöffnet, die eine mit den Stellenanzeigen, die andere mit Hinweisen zur Haltung von Fröschen. Es ist ein Notfall, dachte Maria und schloss die Seite, als der Trainer näher kam.
Modeberaterin. Sie haben Freude an der Beratung nicht stilsicherer Kunden bei der Auswahl ihrer Kleidung und ein Gespür für Kombinationsmöglichkeiten? Voraussetzungen: Erfahrung im Verkauf, selbstbewusstes Auftreten, stilsicher, flexibel, freundlich, teamfähig. Aufgaben: Verkauf. Ausbildung: Berufserfahrung im Handel und Verkauf. Eintrittsdatum: Ab sofort
. Maria las, und sie überlegte, ob im Kühlschrank genügend Platz für Otto sei.
Um elf Uhr dreiundfünfzig sind es noch sieben Minuten, bis Frau Stefanie an der Tür läuten könnte. Frau Stefanie läutet nie zu früh. Maria streicht über die Aquarienwand. Wir werden zuerst langsam die Temperatur senken, sagt sie, du brauchst keine Angst zu haben. Das Gemüsefach aus dem Kühlschrank schiebt Maria auf dem Balkon unter die Gartenbank. Die Bank ist aus Plastik, weil Plastik nicht verrottet, wie Walter sagte, nachdem er auf der morschen Holzbank durchgebrochen war. Braunes Plastik, weil es Holz ähnlicher sieht und besser zu den braunen Bodenfliesen passt. Achten Sie auf Farbkombinationen, sagte Herr Willert, und achten Sie auf die Augen. Am Balkon stützt sich Maria mit den Unterarmen auf das Geländer, vorsichtig, weil sie fürchtet, es könnte nachgeben, und sie könnte in den Hof fallen. Es wäre nicht weit, denkt sie, aber Maria misstraut allen Geländern. Weil man nie weiß, wer sie montiert hat, wann sie locker werden, sagte Maria, wenn sie Walter schimpfte, der sich beim Rauchen mit dem Rücken an das Geländer lehnte, auch auf fremden Balkonen. Das Leben ist ein Hund, sagte Walter dann, es erwischt einen ohnehin, wenn man am wenigsten damit rechnet oder wenn man ihm zu lange in die Augen sieht. Das Leben ist ein Hund, und die Angst ist gefährlich.
Rechts hinten im Hof öffnet jemand ein Fenster, eine Amsel hüpft über die Wiese und fliegt auf, als Maria sich räuspert. Maria wischt über das Geländer, um beschäftigt zu wirken. Aus Isoldes Wohnung riecht es nach Rindsuppe, Maria hört, wie ein Staubsauger abgestellt wird, sie hört, wie die Balkontür neben ihr geöffnet wird, sie überlegt für einen Moment, zurück in die Wohnung zu gehen, aber sie bleibt stehen.
34 Geisterbahn
Hier, wo alles begann, denkt Maria, als sie den Gorilla ansieht. Hier, wo die Augen rot leuchten und die Stimmen düster sind. Wo du nicht weißt, wer dich berührt. Die Frau im Kassenhaus fragt: Möchten Sie die Welt der Geister erleben, sie sagt: Steigen Sie ein, steigen Sie ein, fürchten Sie sich. Nein, sagt Maria, danke, ich schaue nur. Schauen kostet nichts, sagt die Kassenfrau und wendet sich wieder ihrer Zeitung zu. Auf der Titelseite schüttelt ein Politiker einem anderen die Hand, Maria überlegt kurz, wie die beiden heißen, sie steckt ihre Hände in die Jackentasche, wo sie mit einer Kastanie spielt, die sie noch vom letzten Herbst mit sich trägt. Die Kastanie ist verschrumpelt, aber immer noch da, das Kind hat sie Maria geschenkt. Eine Zauberkastanie, hat das Kind gesagt und genickt, als Maria gefragt hat, ob sie denn auch Glück bringe. Jede Menge, hat das Kind gesagt. Die
Weitere Kostenlose Bücher