Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
weiter, so weit, bis sie den Grund unter den Füßen verliert. Dann schwimmt sie, hinaus auf den See, den Bergen entgegen. Man kann sich nicht vorstellen, dass nach einem Sommer wieder der Winter kommt, sagt der Mann, der inzwischen ebenfalls schwimmt. Ja, sagt Maria, im Winter ist der See zu kalt, um darin zu schwimmen. Ja, sagt der Mann, aber es gibt Menschen, die schwimmen auch im Winter hier. Ich weiß, sagt Maria, ich habe davon in der Zeitung gelesen. Sie auch, sagt der Mann, Sie also auch. Entschuldigen Sie bitte, sagt Maria und taucht unter. Die Augen hält sie unter Wasser geschlossen, sie taucht wieder auf, sie schwimmt, so schnell sie kann. Das Wasser ist kalt, aber es ist schon kälter gewesen, denkt sie, als sie überlegt, wie sie der Schwester später die Wassertemperatur beschreiben wird. Kalt ist es, wenn der Körper schmerzt. Schmerzen, denkt Maria, ich habe keine Schmerzen. Sie dreht sich auf den Rücken, streckt die Arme nach hinten, streckt die Beine, macht sich lang. Der Vater brachte Maria bei zu schweben. Du musst dich strecken, sagte er und hielt seinen Arm unter ihren Körper, streck dich, ich bin bei dir. Der Vater zog seinen Arm weg, aber Maria wusste, würde sie sinken, würde er sie auffangen. Die Schwester mochte schon als Kind das Wasser nicht. Maria tauchte, sie tauchte unter und hielt die Luft an, so lange sie konnte. Kann man sich selbst ersticken, fragte sie später ihre Mutter. Ja, mit einem Plastiksack über dem Kopf, aber das macht man nicht. So kalt wie heute war der See noch nie, sagt der Mann, der in Marias Nähe geblieben ist, es ist mir zu kalt. Ich schwimme zurück, Sie finden mich bei den Bäumen, dort ist Schatten. Wieso sollte ich Sie finden wollen, überlegt Maria, aber sie fragt nicht, sie legt sich wieder zurück ins Wasser, schwebt weiter im See. Erst als der Mann weit genug entfernt ist, sieht sie zum Ufer zurück, wo das Wasser seicht genug ist, um zu stehen. Maria sieht, wie sich der Mann aufrichtet, sie sieht seinen Rücken, sie erschrickt, als sie bemerkt, dass er keine Badehose trägt. Ich habe mit einem Nackten gesprochen, ohne davon zu wissen, denkt sie. Allerdings, ich hätte mich nicht anders verhalten, hätte ich es gewusst. Maria schwimmt zurück in Richtung Ufer, sie kontrolliert den Sitz ihres Badeanzugs, bevor sie aus dem Wasser steigt. Alles in Ordnung, denkt sie und richtet sich auf. Den Badeanzug trägt Maria an diesem Sonntag zum ersten Mal. Schön, das ist ein schöner Badeanzug, hat ihre Schwester gesagt, gibt es den bei euch zu kaufen. Ein einfarbiger Einteiler, hat Maria geantwortet, wir haben ihn in fünf verschiedenen Farben. Warum hast du orange genommen, hat die Schwester gefragt, hätte es ihn auch in Blau gegeben. Das ist nicht orange, das ist apricot, hat Maria geantwortet. Apricot, hat die Schwester gefragt, das ist doch orange. Maria richtet sich auf, als sie zurück zu ihrer Schwester geht, sie fühlt sich beobachtet, und unter Beobachtung fallen die Schritte schwer.
Was hast du so lang mit dem Nackten gesprochen, fragt die Schwester, als Maria sich neben sie setzt. Ich habe nicht gesehen, dass er nackt ist, sagt Maria. Er steht jetzt dort drüben, sagt die Schwester und zeigt zum Ufer. Der Mann streicht mit der Hand über eine Hainbuche. Zu einer Frau, die unter den Ästen liegt, sagt er: Das ist mein Lebensbaum, was fühlen Sie. Maria hört nicht, was der Mann zu der Frau unter den Ästen sagt, sie dreht sich auf den Bauch, nur ein wenig, sagt sie zu ihrer Schwester und legt ein Handtuch über den Kopf. Ich bin zurück, hört Maria wenig später eine Männerstimme sagen, ein Cornetto für die Dame. Die Schwester lacht, sie sagt, danke, das unter dem Handtuch ist meine Schwester Maria. Der Mann lacht, die Schwester lacht, Maria nimmt das Handtuch vom Kopf, dreht sich zur Seite, sieht die beiden an. Hallo, sagt sie. Hallo, sagt der Mann, ich bin Manfred, möchtest du mein Eis. Nein, danke, sagt Maria, ich habe keinen Hunger. Eis isst man nicht, weil man hungrig ist, sagt Manfred, Eis isst man, weil die Sonne scheint. Manfred lacht und die Schwester lacht und Maria versucht, freundlich zu sein. Sie sagt: Setz dich, bleib ein wenig, erzähl von dir. Manfred sagt, er arbeitet in der Versicherungsbranche, die Schwester lächelt. Manfred sagt, er kann vom Steg in den See springen, ohne mit der Wimper zu zucken, die Schwester lächelt. Manfred sagt, er lebt in einem Einfamilienhaus nicht weit von hier, die Schwester lächelt. Maria möchte
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