Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
wir kennen uns seit Kindertagen, Maria macht eine Lehre, sie lebt in der Arbeitersiedlung neben den Auen. Eduard heiratete Elisabeth, ein schönes Paar, sagte die Mutter, ihre Eltern sind Ärzte, wusstest du das. Wäre Eduard ohne Elisabeth zurückgekommen, denkt Maria, wäre ich Sängerin. Ich wäre Sängerin und würde auf den größten Bühnen stehen. Eduard hätte meine Ausbildung gezahlt, er verdient gut, er hätte gesagt: Liebes, mach, was du möchtest, ich stehe hinter dir. Die Menschen hätten geklatscht, wenn ich mich am Schluss verbeugt hätte, sie hätten geklatscht und wären dazu aufgestanden, selbst die schönen Männer. Die schönen Männer hätten mir Briefe geschrieben, ich hätte allen geantwortet, ich hätte geschrieben: Eduard ist meine große Liebe, vielen Dank für Ihr Interesse. Mein Gesicht wäre auf Postkarten gedruckt worden. Ja, man hätte Postkarten mit meinem Bild verschicken können, und hätte ich sie unterschrieben, wären sie wertvoll gewesen. Wir hätten ein Haus am Land und eine Wohnung in der Stadt, unser Haus wäre so groß, dass man sich darin verirren könnte, wenn man die Wege nicht kennt. Von der Küche würde man auf eine Koppel sehen, ein Schimmel würde dort stehen, und würde ich das Küchenfenster öffnen, würde ich ihn rufen. Lanzelot, würde ich rufen, schau her zu mir. Und er, er würde wiehern, und wenn er galoppiert, würde seine Mähne im Wind wehen.
Ein schöner Mann, findest du nicht, sagt die Schwester, als sie ohne Manfred zurückkommt. Bitte mach Platz, ich muss in den Schatten, du weißt, meine Haut. Maria lässt die Schwester unter den Sonnenschirm, sie sagt: Du schwärmst zu schnell. Findest du, sagt die Schwester. Ja, sagt Maria. Freu dich doch für mich, sagt die Schwester. Ich freue mich, sagt Maria, aber meinst du, es ist gut, einen Mann vom Badestrand zu nehmen. Die Männer vom Badestrand sind keine guten. Woher sollen sie sonst kommen, fragt die Schwester, von der Straße. Vielleicht, sagt Maria, ich weiß es nicht. Was hast du mit dem Nackten gemacht, fragt die Schwester. Gesprochen, er hat mit mir gesprochen. Wie findest du Manfred, fragt die Schwester. Er hat gesagt, er wird mich anrufen. Manfred wird mich anrufen, und dann werden wir uns verabreden, Donnerstag, vielleicht schon am Donnerstag, da arbeitet er nicht so lange, ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Und was, wenn er schlecht gekleidet ist. Die Schwester dreht sich zur Seite, sieht Maria an. Was, wenn er keinen Geschmack hat. Das ist eben das Risiko, wenn man einen vom Badestrand nimmt, sagt Maria. Das stimmt, sagt die Schwester, da hast du Recht, aber seine Badehose war schön. Es war eine schwarze Badehose, sagt Maria. Ja, sagt die Schwester, aber sie war nicht getigert, und zumindest hatte er eine Badehose. Vielleicht ist es hygienischer, keine Badehose zu tragen, sagt Maria. Meinst du, fragt die Schwester, vielleicht, sagt Maria, vielleicht, und steht auf. Ich bin gleich wieder bei dir.
Mit Sandalen sind die Schritte lauter. Maria trägt sie selten, wenn sie zum Wasser geht, weil sie verwechselt werden, weil sie gestohlen werden könnten. Das kommt immer wieder vor, sagt sie, wenn sie gefragt wird, warum. Die Hainbuche steht etwas abseits, Maria blickt sich um, ob die Schwester sie sieht. Der Mann streicht über den Baum. Da sind Sie, sagt er, als Maria kommt, und wickelt sich ein Handtuch um. Entschuldigen Sie, ich möchte Sie nicht stören, sagt Maria, aber ich weiß jetzt, wo ein gutes Kaffeehaus ist. So, sagt der Mann. Ja, sagt Maria. Werden Hainbuchen immer so groß. Nein, sie haben selten genug Platz zu wachsen, sagt der Mann. Möchten Sie sehen, was ich heute gefangen habe, sagt er, und erst jetzt bemerkt Maria die Angeln, die an dem Baum lehnen. Der Mann öffnet eine Kühlbox, er holt einen Fisch heraus, der nicht größer ist als Marias Hand. Er schlitzt dem Fisch mit einem Messer den Bauch auf, fährt hinein, Maria sieht weg, bis der Mann seine Hand ausstreckt. Sehen Sie, wie lieb das Herz ist, wie klein. Wenn Sie möchten, können Sie es behalten.
20 Wann kommt der Regen
Schön, das ist doch schön. Wenn etwas schön ist, fällt es mir schwer, nein zu sagen. Ich sollte nein sagen. Aber schön ist es schon. Was meinen Sie, fragt die Kundin. Sie sehen schön aus, sagt Maria, und Schwarz ist eine klassische Farbe. Ein schwarzes Kleid können Sie auch in fünf Saisonen noch tragen. Meinen Sie, fragt die Kundin. Ja, sagt Maria, schwarz ist zeitlos, schwarz kann man immer
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