Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Walter, ich muss gut essen, dann ist alles in Ordnung. Du solltest zum Arzt gehen, sagt Maria. Die Frau im Fernsehen liegt tot am Boden, zwei Männer stehen neben ihr und sehen auf sie hinunter, einer raucht. Maria hält Walter das Buch hin, sie sagt: Lies das, bitte. Lass mich, sagt Walter, ich bin müde. Er steht auf, er geht hinüber in die Küche, öffnet die Balkontür, zündet sich im Freien eine Zigarette an. Und rauchen sollst du auch nicht, flüstert Maria, aber das hört Walter nicht.
Maria schaltet den Fernseher aus. Sie geht hinüber in die Küche, sie beobachtet Walter durch die Balkontür, verschränkt die Arme vor der Brust. Bald wird er hereinkommen, denkt sie. Das Buch hat sie mit in die Küche genommen, die Küchenuhr tickt und der Kühlschrank brummt, es kracht, als die Nachbarkinder auf der Straße einen Böller werfen. Er ist wie ein Kind, denkt Maria, er ist wieder in den Socken auf den Balkon gegangen, er wird sich erkälten, er ist alt genug, das zu wissen. Raucht er noch, wirft er wieder den Zigarettenstummel in den Blumenkübel, ja. Walter, die Blumen, sagt Maria, als Walter die Balkontür öffnet, es steht doch ein Aschenbecher draußen. Walter schließt die Balkontür, er lehnt seinen Körper dagegen und dreht den Griff nach unten. Hast du mir vorhin zugehört, fragt Maria. Walter, bitte, sie hält ihn am Arm. Walter schüttelt sie ab. Er spricht laut: Und wie stellst du dir das vor. Dass ich den ganzen Tag zu Hause sitze, möchtest du das. Walter, sei leise, sagt Maria, Herr Popovic schläft schon. Lass mich in Ruhe, murmelt Walter und geht in Richtung Wohnzimmer. Maria hält ihn fest. Walter, bitte, sagt sie, ich mache mir Sorgen, du siehst schlecht aus. Walter stößt sie weg. Und was ist mit dir, Maria. Sieh dich an, was bist du, eine Verkäuferin, die in die Jahre gekommen ist, eine, die von den großen Tagen träumt. Sieh mich an, und jetzt, jetzt ist es dir nicht gut genug, was ich mache. Was bist du für eine Frau, die weint, wie ein Kind. Walter packt Maria an den Handgelenken, nicht einmal Kinder hast du, du bist eine Frau, die den Bauch einzieht, wenn sie vor dem Spiegel steht. Marias Handgelenke schmerzen, und sie weiß, dass sie schnell sein muss, wenn Walter wütend ist. Maria zieht ihre Hände weg, als Walter den Griff lockert, sie nimmt das Buch von der Küchenanrichte und dreht sich um. Du bist ein Versager, sagt sie leise, als sie an Walter vorüber ins Schlafzimmer geht, ein undankbarer Versager, und sie zieht den Kopf ein, während sie an ihm vorübergeht, weil sie weiß, was kommt. Aber Walter tritt nur gegen Marias Unterschenkel, einmal, zweimal, Maria strauchelt, aber sie geht weiter, schnell, schließt die Schlafzimmertür hinter sich ab. Walter wird gegen die Tür trommeln, ehe er die Wohnung verlässt. Walter wird gegen die Tür trommeln, aber Maria wird sie nicht öffnen, nein, sie wird warten.
14 Barfuß im Regen
Einen schönen Nachmittag, hier spricht Hannelore, ich wünsche mir das Lied
Barfuß im Regen
, weil ich zwei Stunden Bügelwäsche vor mir habe. Ich grüße damit meine Familie, meine Verwandten und meine Freundin Cordula. Liebe Hannelore, warum wünschen Sie sich dieses Lied, fragt der Radiomoderator. Hannelore schweigt, dann sagt sie: Weil es mir gefällt. Die ersten Akkorde erklingen, und Maria dreht das Radio lauter, aber nur so laut, dass Walter die Musik durch die geschlossene Tür nicht im Schlafzimmer hört. Sie legt das Messer zur Seite und streckt ihre Arme aus.
Barfuß im Regen tanzen wir zu zweit, und wir tanzen und tanzen und tanzen. Süß ist dein Kuss, ein Hauch von Sonnenschein, und wir küssen und küssen und küssen
. Der Mann singt, und Maria singt leise mit:
Wir vergessen die Welt vor Liebe bei Sonnenschein und Regen, heiß, die Herzen so heiß vor Liebe, die wir uns heute geben
. Schon lange nicht mehr gehört, sagt der Radiomoderator, ein schönes Lied an einem Regentag, und wir sollten uns an den Regen gewöhnen, die nächsten Tage werden nicht besser. Maria dreht das Radio leiser, sie schneidet weiter das Kraut. Das Brett ist zu klein, und einige Krautstücke fallen auf den Boden, Maria wird sie später aufheben. Sie holt das Kochbuch aus dem Regal, sie schlägt es vorsichtig auf, weil sich die Seiten lösen.
Frohe Feste – liebe Gäste
, liest Maria auf Seite hundertsiebenundachtzig, und dann:
Tischschmuck dem Anlaß entsprechend. Besonders wenn Prinz Karneval sein Szepter schwingt, sind unserer Phantasie keine Grenzen
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