Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
komme gleich. Maria legt den Hörer auf, sie räumt das Geschirr vom Wohnzimmertisch in die Küche, sie kippt die Reste des Abendessens in den Mülleimer, Schnitzel und Kartoffeln, sie wäscht die Teller ab, wäscht das Besteck ab. Maria wischt die Arbeitsplatte, sie reibt an einem Fleck, der dort seit zwei Jahren ist. So eine Unordnung, denkt sie und hält ein Tuch unter den Wasserhahn, tropft Allzweckreiniger darauf. Sie geht hinüber zum Esstisch, sie sieht das Sofa nicht an, sie wischt den Esstisch, rückt die Sessel zurecht. Maria geht mit dem feuchten Tuch durch die Wohnung im Kreis, sie wischt alle Flächen, bis sie nicht mehr weiter weiß. Maria möchte staubsaugen, aber sie möchte Herrn Popovic nicht wecken, der immer früh schlafen geht. Sie möchte nicht, dass Herr Popovic an ihre Tür klopft, dass jemand mit ihr spricht, dass jemand fragt: Was ist passiert. Was. Das tut mir leid. Das ist schrecklich, brauchen Sie Hilfe. Im Schlafzimmer liegt das Buch aufgeschlagen auf Walters Nachttisch, so wie es Maria vor einiger Zeit hingelegt hat. Maria wirft den Putzfetzen auf Walters Bettseite. Du Idiot, sagt sie, du Idiot.
16 Weltspartag
Möchten Sie ein Stofftier oder eine Spardose, fragt der Bankberater, die Handtücher sind leider schon weg. Schade, sagt Walter, ich hätte gern das Handtuch gehabt. Ja, sagt der Bankberater, die Handtücher waren sehr beliebt. Wir nehmen das Stofftier, sagt Maria, ein Sparschwein haben wir schon. Maria steckt das Stofftier in ihre Handtasche, sie sagt zu Walter: Lass uns beim Supermarkt vorbeifahren, wir brauchen Butter, die ist heute im Angebot. Gut, sagt Walter, was gibt es am Wochenende zu essen, wir haben schon lange kein Schnitzel gehabt. Schau, sagt Walter, als sie an der Bar am Eck vorbeifahren, die bauen um. Das war längst nötig, sagt Maria, pass auf, die Katze.
Wenn man etwas drei Jahre hintereinander macht, ist es eine Tradition, sagt Walter. Es ist eine Tradition, dass Walter und Maria am Vorabend das Sparschwein öffnen. Maria sperrt dazu den Deckel mit einer Münze auf, Walter hält einen Plastiksack darunter, in den die Münzen fallen, den Walter zuknotet, wenn alle Münzen hineingefallen sind. Die Münzen werden am Weltspartag in der Bank in den Münzzähler geworfen. Wie ein Gebirgsbach, sagt Maria, wenn die Münzen durch die Maschine fallen, und Walter hält den Münzzähler im Blick. So viel, sagt er, wenn die Münzen gezählt sind, oder: So wenig. Die Geschenke waren früher besser, hat Walter an diesem Oktobertag gesagt, als er mit Maria die Bank verlassen hat. Was machen wir mit dem Stofftier. Maria hat seine Hand genommen, fährst du, oder fahre ich, hat sie gefragt.
Die Bar am Eck wird umgebaut, und Walter schaltet den Blinker ein, als sie sich der nächsten Kreuzung nähern. Die Sonne scheint, Blätter wehen über die Straße, es riecht nach Rauch, weil jemand in seinem Garten Laub verbrennt. Kommst du mit, fragt Maria, als sie auf dem Supermarktparkplatz die Autotür öffnet. Ja, sagt Walter und sucht in seiner Geldbörse nach einer Münze. Er flucht, weil er keine findet und wechseln muss. Als Walter zurückkommt, nimmt er einen Einkaufswagen von der längsten Schlange, er stützt sich mit den Unterarmen auf dem Einkaufswagen ab. Im Supermarkt läuft Musik, und Maria summt leise mit, als sie ein Lied erkennt. Vom Schwein oder vom Kalb, fragt Maria, als sie vor der Fleischvitrine steht. Vom Kalb, sagt Walter, Prinzessin, heute ist Weltspartag.
15 Unter Samthandschuhen
Walter, sagt Maria, kommst du bitte, ich möchte dir etwas zeigen. Es ist Samstagabend, Walter sitzt vor dem Fernseher, er sagt: Nicht jetzt, oder ist es wichtig. Ja, sagt Maria, komm rüber. Maria sitzt auf dem Bett, sie wickelt ihre Haare um den Zeigefinger. Aus dem Wohnzimmer ist der Fernseher zu hören, eine Frauenstimme lacht, kurz darauf ein Schuss. Maria weiß, dass sie sich beeilen muss, weil Walter bald vor dem Fernseher eingeschlafen sein wird. Walter, ruft Maria. Sie hält das Buch auf dem Schoß, sie hat den Daumen zwischen Seite zweihundertachtzig und zweihunderteinundachtzig. Walter, kommst du bitte, ruft Maria und steht auf, sie wechselt den Finger im Buch. Walter sitzt im Lehnstuhl, die Augen geschlossen, aber er schläft noch nicht. Wenn Walter schläft, dann schnarcht er, das weiß Maria, sie sagt: Du bist noch wach, lies das, Walter. Walter öffnet die Augen, er streckt sich. Was soll ich machen, fragt er. Auf dich achten, sagt sie. Ich muss mehr schlafen, sagt
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