Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
Vom Netzwerk:
Koppel, an dem der Degen hing, zurechtrückte. Ein stolzes Lächeln, das mir galt.
    Und dann war er weg.
     
    Am 29. Juni, dem Fest der Heiligen Peter und Paul, beging der Hof den Namenstag des Kronprinzen. Es war immer ein heiterer Tag mit Musik, Tanz und Militärparaden, ein Tag, der kein Ende nahm, denn in der »weißen Nacht«, die darauf folgte, tauchte die Sonne nur ganz kurz unter den Horizont, um sofort wieder zu erscheinen und das Dunkel in milchige Blau- und Violetttöne aufzulösen. Im Jahr 1755 war die Feier besonders spektakulär, denn nicht allein der Kronprinz hatte Namenstag, sondern auch sein Sohn und Erbe.
    »Fahr nach Oranienbaum, Warwara«, befahl die Kaiserin. Mehr musste sie mir nicht sagen. Ich war eine Zunge und wusste, was von mir erwartet wurde.
    Als ich in Oranienbaum ankam, war das Fest bereits in vollem Gang. Auf dem Vorplatz standen ein Brunnen, der Wodka spendete, und Fässer mit deutschem Bier. Im Garten spielte eine Kapelle, vor dem Schloss ein Streichquartett. Lakaien mit Platten voller Langusten und Braten bahnten sich ihren Weg durchs Gewühl und brachten immer neue Speisen, um den Heißhunger der Gäste zu stillen. Auf einem Büfett ragte eine mit Türmen bewehrte Festung auf, die ganz aus Gebäck und Früchten errichtet war. Dort stand der Großfürst, der zur Feier des Tages statt der üblichen Holsteiner Uniform eine elegante smaragdgrüne Jacke mit goldenen Litzen trug, und nickte huldvoll, während eine Ehrenformation Salut schoss. Das Fräulein genoss es sichtlich, an Peters Seite die Gäste begrüßen zu dürfen.
    Von Katharina keine Spur.
    Ich ging über den Platz zum Schloss, um sie zu suchen. Die Unterhaltung der Leute um mich herum floss zäh und nur dort etwas lebhafter, wo Bosheiten ausgetauscht wurden. Madame Soundso hatte sich mit viel zu viel Valenciennes-Spitze herausgeputzt – es sah geradezu lächerlich aus. Die Soundsos hatten zu einem Diner geladen, das fünftausend Rubel gekostet hatte, aber das Essen war abscheulich gewesen. Monsieur Soundso war scharf auf die Frau von Monsieur XY .
    Jede Menge Klatsch, dachte ich. Die Kaiserin wird zufrieden sein.
    In der Eingangshalle stand der Kanzler an einem offenen Fenster und sah hinaus.
    »Eine großartige Veranstaltung, nicht?«, sagte er mit ironischem Lächeln. »Es ist alles da, was Rang und Namen hat. Die alten Akteure und die neuen.« Seiner Aufmerksamkeit entging nichts, weder das schrille Gelächter des Fräuleins noch meine gespannten Blicke zu der Tür, durch die jeden Moment Katharina treten konnte.
    »Sehen Sie, da ist der britische Gesandte, der unsere Kaiserin so heftig umwirbt.« Er beugte sich etwas vor. »Mein alter Freund hat Verstärkung mitgebracht.«
    Sir Charles Hanbury-Williams, Vertreter der britischen Krone am russischen Hof, hinkte ein bisschen – offenbar war sein Knöchel noch nicht wieder ganz geheilt. Neben ihm ging ein schlanker junger Mann in einem kirschroten Rock. Er trug keine Perücke, sein Haar war gekräuselt und gepudert und hinten mit einem Satinbändchen zusammengebunden.
    »Graf Stanislaw Poniatowski«, sagte der Kanzler. »Gerade erst von einer Reise durch ganz Europa zurückgekehrt. Er ist der Privatsekretär von Sir Charles und sein Protegé.«
    Der Graf mache seine ersten Gehversuche auf dem Gebiet der Politik, erklärte Bestuschew. Seine Onkel hätten ihn nach Sankt Petersburg geschickt, damit er den polnischen Einfluss am Hof zu Geltung brachte. Er war bereits in den besten Häusern empfangen worden. Nach einer Audienz in Peterhof hatte die Kaiserin so von seinen strammen Waden geschwärmt, dass Iwan Iwanowitsch ganz gekränkt gewesen war.
    Der Pole erwiderte gerade mit einer eleganten Verbeugung einen Gruß und nahm sich dann ein Glas Champagner von einem Tablett. Sir Charles stellte ihn Feldmarschall Apraxin vor.
    »Die Schuwalows halten ihn für gefährlich.« Bestuschew schmunzelte. »Der schöne Graf sollte sich geschmeichelt fühlen.«
    Die Orden an Apraxins Brust glitzerten. Graf Poniatowski streckte ihm die Hand hin.
    »Sie sollten wissen, dass Gräfin Schuwalowa bereits Andeutungen streut, Sir Charles und sein Schüler teilten gewisse widernatürliche Neigungen.« Er lächelte verschmitzt. »Nur damit Sie nicht überrascht sind, wenn die Kaiserin neugierige Fragen nach dem hübschen Neuling stellt.«
    Es wird also schon geklatscht, dachte ich, während der Kanzler weiterredete. Die französische Partei am Hof nutzte jede Gelegenheit, die Briten zu

Weitere Kostenlose Bücher