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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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diskreditieren.
    Ich ignorierte Bestuschews fragenden Blick. Halte ihn hin , hatte Katharina gesagt. Behaupte, ich änderte andauernd meine Meinung. Treiben wir ihn zur Verzweiflung.
    Im Krieg sind Raub und Betrug an der Tagesordnung , dachte ich. Und Grausamkeiten.
     
    Als ich Katharinas Suite betrat, fand ich sie von gleißendem Sonnenlicht umflossen, um sie herum wie ein summender Bienenschwarm ihre Hofdamen. Sie wurde eben angekleidet. Zofen schnürten sie, rückten ihr Panier zurecht, banden ihre Täschchen fest. Eine puderte ihr kunstvoll gelocktes Haar, eine andere klebte ihr ein Schönheitspflästerchen auf. Ein Galakleid aus elfenbeinfarbener Seide wurde ausgebreitet, der Rock mit feinster silberner Spitze besetzt.
    Ich knickste. »Warenka«, rief Katharina aus. »Seid ihr mit dem Umzug fertig? Sind die Arbeiten im neuen Palast tatsächlich alle abgeschlossen?«
    Ich fragte mich, ob es Belladonna oder Laudanum war, was ihre Pupillen derart riesig machte.
    Es war der erste Namenstag ihres Sohnes. Nicht einmal heute hatte man ihr erlaubt, ihn in die Arme zu nehmen und zu küssen. Wie immer hatte sie ihre Tränen zurückhalten und beteuern müssen, wie dankbar sie sei, dass es ihrem Kind so gut ging. Es rege das kleine Schätzchen nur unnötig auf, wenn seine Mutter bei ihm sei, hatte die Kaiserin befunden. Und ich hatte gehört, wie sie sagte, die Sehnsucht nach ihrem Sohn werde Katharinas Fruchtbarkeit verbessern, sodass sie bald wieder schwanger würde.
    »Der Palast wartet nur darauf, dass Sie kommen, Hoheit«, erwiderte ich.
    Sie hob die Arme, damit die Zofen ihr die Unterröcke überstreifen konnten und anschließend das Mieder. Als sie so weit war, dass sie das Kleid anziehen konnte, hatte ich bereits alle ihre Fragen zum Umzug beantwortet. Der Palast war klein, aber es war alles da. Es war schon früh am Morgen sehr laut auf der Großen Perspektivstraße, aber ihre Zimmer lagen auf der anderen Seite, zum Kanal hin. Im Übrigen hatte Monsieur Rastrelli hoch und hei
lig versprochen, dass der Hof in einem Jahr wieder im Winterpalast einziehen konnte.
    Das Seidenkleid raschelte, als Katharina sich langsam drehte. Die silberne Spitze funkelte. Die Zofen suchten nach letzten Unvollkommenheiten – ein loser Faden, ein unregelmäßiger Faltenwurf, ein Stäubchen Puder am Hals.
    Ich fand, Katharina sah so gut aus wie lange nicht mehr.
    Draußen rief jemand: »Lang lebe der Kronprinz!« Es folgte enthusiastischer Jubel. Ich dachte daran, wie eilig das Fräulein es hatte, Katharinas Stelle an der Seite ihres Mannes einzunehmen.
    Eine neue Salve Salut krachte.
    Es folgte ein Moment gespannter, unangenehmer Stille, doch dann lächelte Katharina und sagte, sie sei nun bereit, zum Fest zu gehen.
     
    »Wer ist das, Warenka?«, wollte Katharina wissen.
    Aus einer Schale mit Früchten nahm Graf Poniatowski eine entkernte Pflaume und steckte sie in den Mund. Dann nahm er noch eine.
    Ich gab wieder, was der Kanzler mir erzählt hatte: polnischer Protegé des britischen Gesandten … sein Privatsekretär … mehr sein Freund und Schüler.
    »Offenbar mag er Pflaumen«, bemerkte Katharina. »Hat er auch einen Vornamen, dieser polnische Graf?«
    »Stanislaw.«
    »Hat sie ihn schon kennengelernt?«
    Ich sagte ihr, dass Graf Poniatowski vor einigen Tagen der Kaiserin offiziell vorgestellt worden war.
    »Hat er ihr gefallen?«
    »Ja.«
    »Mehr als Schuwalow?«
    »Ich glaube nicht. Er hat einen schweren Fehler gemacht.«
    »Hat er all ihre Pflaumen gegessen?« Ihre Augen blitzten amüsiert.
    Ich unterdrückte ein Lächeln. »Nein. Er hat Voltaire zitiert – eigentlich steht das nur Iwan Iwanowitsch zu.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Graf Poniatowski vor der ältesten Tochter von Fürst Kurakin verbeugte und sie zum Tanz führte. Er war offensichtlich ein sehr geübter Tänzer und genoss es, sich so elegant zu bewegen. Jedes Mal wenn er sich vor seiner Partnerin verneigte, ging ein warmes Lächeln über sein schön geschnittenes Gesicht. Er hatte nichts von Sergej Saltykows arroganter Männlichkeit, fand ich und hoffte, dass auch Katharina es sah. Er strahlte nur die weltläufige Gelassenheit eines Mannes aus, der sich überall zu Hause fühlte.
    Der Großfürst winkte mich zu sich.
    »Es gefällt ihr nicht, wie ich angezogen bin, Warwara«, klagte Peter und wies auf das Fräulein an seinem Arm. »Sag ihr, was du gehört hast.«
    Er klang wie Darja, wenn sie Bestätigung suchte.
    »Alle finden, Ihre Hoheit sehen

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