Der Winterpalast
Franzosen für hinterlistig. Wenn Russland eher zur britischen Seite hin neigte, so deswegen, weil Elisabeth den König von Preußen mehr hasste, als sie die Kaiserin von Österreich verabscheute.
In ihren Augen war die Feindschaft zwischen den beiden deutschen Mächten eine zwischen einem dreisten Räuber und einer intriganten Heuchlerin.
Wenn man bei Hof Elisabeths Aufmerksamkeit finden wollte, empfahl es sich, Wiens Pracht schäbig zu nennen, von den engen Gassen voller Schmutz und Unrat zu sprechen oder aber darauf zu verweisen, dass in den preußischen Schlössern vergoldetes Kupfer als Gold durchging. Die Leute des Kanzlers durchkämmten die Berichte der Spione nach Belegen für Beschimpfungen aus allerhöchsten Mündern: Wann und wem gegenüber hatte Friedrich die russische Kaiserin eine Hure, ein geiles Luder, eine flachbrüstige Schlampe genannt? Wie oft hatte Maria Theresia erklärt, Elisabeth sei eine schamlose Sünderin, die in der Hölle brennen werde?
Alles, was geeignet war, den kaiserlichen Zorn weiter anzufachen, konnte den Intriganten am Hof von Nutzen sein.
Ende Januar erhielt Igor Bescheid, dass er einer Grenadiereinheit zugeteilt worden war. Nicht der Artillerie, wie man ihm versprochen hatte, aber er fand sich damit ab. Er würde seine besten Jahre nicht ruhmlos damit vertun, im Palast Wache zu schieben, das war das Einzige, was wirklich zählte. Er lachte über Saltykow, der sich am schwedischen Hof die Beine in den Bauch stand und, kaum angekommen, bereits fragte, wann er wieder nach Sankt Petersburg zurückkehren durfte. Der kaiserliche Deckhengst, sagte mein Mann und schnaubte verächtlich, machte jetzt die bittere Erfahrung, dass Dankbarkeit im Spiel der Macht nicht viel wert war.
Igor Malikin war aus anderem Holz geschnitzt.
Er wollte sich in heißen Schlachten hervortun, in siegreichen Kämpfen, die Russland zu Ruhm und Ehre und ihm mindestens zum Rang eines Oberstleutnants verhalfen. Zu einer Zeit, da die Karten Europas immer wieder neu gezeichnet werden mussten, konnte man es beim Militär weit bringen.
Während er auf seinen Marschbefehl wartete, vertrieb Igor sich die Zeit mit Fechten und Boxen. Wenn er von seinen Kämpfen übel zugerichtet und verschwitzt nach Hause kam, scherzte er, er sei in all den Jahren, in denen er immer nur Wache gestanden habe, ganz eingerostet. Er ließ sich neue Stiefel und neue Hosen machen, kaufte ein Reisenecessaire und ein Kästchen mit allen Schreibutensilien, die ein Offizier im Feldlager brauchte und die Darja so sehr faszinierten, dass er ihr schließlich erlaubte, eines der hübschen Tintenfläschchen aus Kristall zu behalten.
Er ließ auch ein Porträt von sich malen: Es zeigte ihn in voller Uniform, den Degen umgeschnallt, das rechte Bein etwas vorgestellt, unter dem Arm den Tschako. Ich fand, dass der Künstler, ein Leibeigener, der sich das Malen selbst beigebracht hatte, schon bei der ersten Sitzung die Ähnlichkeit recht gut getroffen hatte, aber Igor hatte einiges auszusetzen.
»Malen Sie mir ein paar Falten«, befahl er. »Und die Lippen müssen strenger sein. Ich will nicht, dass meine Enkel mich später einmal so idiotisch grinsen sehen.«
Im Winterpalast gab es keinen Hof des Thronfolgerpaares mehr, es gab nur Peters Hof und Katharinas Hof. Bei ihm hatten die Schuwalows das Sagen, und das Fräulein führte den Vorsitz. Katharina war allein, und ich war die Kundschafterin, die ihr alles zutrug, was im Palast vor sich ging.
»Du musst das Vertrauen der Kaiserin gewinnen«, sagte Katharina. »Du musst erreichen, dass du bei ihr bleiben darfst, wenn sie andere wegschickt. Sag ihr, was sie hören will.«
Abends im kaiserlichen Schlafzimmer, wenn Elisabeth lange genug über die Preußen, denen man kein Wort glauben durfte, geschimpft hatte, kam meine Stunde: Ich berichtete von Spielschulden Katharinas, die sie jedoch nicht daran hinderten, Geld für Rubinschmuck und Seidenschuhe mit Silberschnallen zu verschleudern. Ich nannte die Großfürstin kalt und berechnend, eine Frau, die sich nur für Leute interessierte, die sie ausnutzen konnte. Es war gar nicht nötig, konkrete Vorwürfe zu erheben, die Erwähnung von Katharinas Namen genügte bereits, Elisabeths Zorn zu wecken. Dass die Großfürstin an einem Abend Karten gespielt hatte oder nicht zu einem Hofball erschienen war, bewies, dass sie leichtsinnig oder hochmütig war. Dass Katharina andauernd versicherte, wie dankbar sie war und wie vorbildlich für ihr Kind gesorgt
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