Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
Vom Netzwerk:
heute ganz besonders schick aus«, sagte ich. »Die Großfürstin und Kanzler Bestuschew meinten, dieser Frack stehe Ihnen ausgezeichnet.«
    Gräfin Woronzowa warf mir einen finsteren Blick zu.
    »Und? Was sagen sie jetzt?«, fragte er sie triumphierend.
     
    Als ich wieder zu Katharina trat, stand sie mit Graf Poniatowski und Sir Charles am Büfett. Der Graf lachte über etwas, was sie gerade gesagt hatte. Ihr Mund war leicht geöffnet, und ich fand sie wunderschön. Es war Freude, was ihr Gesicht wie durch einen Zauber so leuchten ließ.
    »Ich hatte nicht so viel Glück wie Sie«, hörte ich sie sagen. »Als ich nach Russland kam, war es Winter, und der russische Winter kann einen zur Verzweiflung treiben.« Sie bemerkte mich gar nicht.
    Sir Charles Hanbury-Williams trat etwas beiseite und winkte mich zu sich. Ich musste daran denken, dass die Kaiserin oft über seine stämmige Figur und die vollen Lippen spottete.
    »Ich war selbst schuld, Madame Malikina«, sagte er, als ich mich besorgt nach seiner Fußverletzung erkundigte. Er sprach fließend Französisch, wenn auch ein bisschen ungelenk wie die meisten Engländer, die nicht von früher Jugend an mit der Sprache vertraut sind. »Ich hätte besser aufpassen sollen.«
    Es freute mich, dass er sich an meinen Namen erinnerte. Wir hatten ein paar höfliche Worte gewechselt, wenn wir einander in den Vorzimmern der kaiserlichen Suite begegnet waren, hatten aber nie nähere Bekanntschaft geschlossen.
    Er berichtete, dass er Graf Poniatowski der Großfürstin vorgestellt hatte: »Ich sagte ihr, er ist mein politischer Zögling und wie ein eigener Sohn für mich, und sie gratulierte mir zu meinem Geschmack.«
    Um uns herum unterhielten sich die Leute und lachten. In einiger Entfernung redete Kanzler Bestuschew mit dem österreichischen Gesandten und legte ihm demonstrativ freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Sir Charles machte keinen Hehl daraus, dass er ganz hingerissen von Katharina war: »Diese Intelligenz, diese Anmut! Was für ein entzückendes Lächeln!«
    Ich ließ ihn reden, aber meine Aufmerksamkeit galt hauptsächlich Katharina und Stanislaw. Weniger ihren Worten – ich konnte nur wenige abgerissene Fetzen ihrer Unterhaltung verstehen – als vielmehr ihrer Körpersprache: Katharina führte spielerisch ihren Fächer an die Lippen, seine Augen funkelten.
    »Ich war lange genug in Polen, um zu wissen, welche Möglichkeiten in diesem Land stecken«, fuhr Sir Charles fort. »Es ist halb so groß wie Frankreich und könnte die Kornkammer Europas sein, aber es führt ein unbedeutendes Dasein. Was für eine Verschwendung! Das kann nicht im Interesse Europas sein. Das sind die Dinge, über die wir immer reden, Graf Poniatowski und ich, Madame Malikina.«
    Er warf einen Blick in Richtung seines Schützlings, der sich zu Katharina vorbeugte, und fuhr dann fort, über Politik zu dozieren. Nur wenn ein Machtgleichgewicht herrschte, wurden alle
Akteure in Schach gehalten. Frankreich strebte danach, seinen Einfluss maßlos auszudehnen. Die Franzosen versuchten in allen Ländern wichtige Leute auf ihre Seite zu ziehen, aber sie machten nur leere Versprechungen. Polen hatte es bereits zu seinem Leidwesen erfahren müssen. Das Land war jetzt auf der Suche nach verlässlichen Bundesgenossen.
    »Polen und Russland, Madame, sind natürliche Bündnispartner. Eine Allianz wäre im Interesse beider Staaten und ganz Europas.«
    So spricht ein Diplomat, dachte ich. Sir Charles hatte einen Auftrag auszuführen, und er nutzte jede Gelegenheit, für seine Sache zu werben. Natürlich war seine Botschaft nicht für mich bestimmt, ich sollte sie nur weitertragen. Aber wer war der Adressat, den er im Auge hatte? Elisabeth? Der Kanzler? Oder Katharina?
    Ich stand im Licht der weißen Nacht und lauschte Katharinas heiterer, neckender Stimme und immer wieder Graf Poniatowskis sanft bezauberndem Lachen.
     
    Als das Fest zu Ende war, ging ich in Katharinas Schlafzimmer, um mit ihr abzustimmen, was ich der Kaiserin in Peterhof berichten sollte.
    Aber Katharina wollte keinen Gedanken an die Kaiserin verschwenden.
    Die Zofen hatten die Fenster offen stehen lassen, die schweren roten Samtvorhänge blähten sich leicht in einer kühlen, duftenden Brise, die aus den Gärten hereinwehte. Ich roch Flieder und den intensiven Duft von Jasmin.
    »Weißt du, Warenka, ich habe mich mit Graf Poniatowski über Paris unterhalten. Er sagt, er war ganz hingerissen von der besonderen Atmosphäre, die

Weitere Kostenlose Bücher