Der Winterpalast
Brautleute war, die Schüssel mit Eis weg, die sie in den Händen trug, und klopfte leise an die Tür.
»Herein.«
Katharina saß neben dem Bett auf dem Fußboden. Im verrutschten Ausschnitt ihres Batistnachthemds sah ich weiße Haut und eine rosige Brustwarze. Von Peter keine Spur.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
»Da war eine Ratte«, sagte sie und zeigte in eine Ecke neben dem Kamin. »Da drüben.«
»Jetzt ist sie jedenfalls weg.« Ich nahm einen Brocken Eis und strich damit über die Haut unter ihren Augen. Kaltes Schmelzwasser lief an meinem Arm entlang.
»Ich weiß.« Katharina seufzte. Sie rührte sich nicht.
Ich flüchtete mich in Geplauder, das mir damals so leicht von der Zunge ging. Ich redete von der Gräfin Golowina, die auf der Tanzfläche gestolpert war, von dem verklärten Lächeln, das jedes
Mal über das Gesicht des alten Grafen Schuwalow ging, wenn er einen Blick auf ein Paar schlanker Fußknöchel erhaschte.
Ich ließ meine Worte funkeln.
Ich lachte über meine eigenen Scherze.
Sie hörte gar nicht zu.
»Es fühlt sich an wie ein Stein«, sagte sie bedrückt und deutete auf ihre Brust. Sie schnüffelte an ihrem Arm, an der Innenseite ihres Kragens. Sie sah mich an, offensichtlich tief verletzt und gedemütigt.
Ich kniete mich neben sie und nahm ihre kräftige weiße Hand, die jetzt mit einem Ehering geschmückt war.
»Er hatte eine kleine Flasche mit Wodka in der Tasche seines Schlafrocks. Er ließ mich davon trinken. Er sagte, eine Frau müsse ihrem Ehemann blind gehorchen; wenn er an einem sonnigen Tag sagt: ›Schau nur, wie dunkel es ist‹, muss sie antworten: ›Ja, so dunkel, dass man die Hand vor den Augen nicht sehen kann.‹ Und wenn er dann sagt: ›Aber es ist heller Tag‹, muss sie ausrufen: ›Tatsächlich, wie dumm von mir, das nicht zu bemerken!‹ Dann trank er immer mehr, bis er schließlich einschlief.«
»Er hat Sie nicht angerührt?«
»Nein.«
»Hat er Sie geküsst?«
»Nein.«
»Auch nicht nach dem Aufwachen?«
»Nein. Ich weiß nicht einmal, wann er gegangen ist.«
»War heute schon jemand hier?«
»Gräfin Rumjanzewa und Fürstin Galizina waren da und haben die Laken mitgenommen.«
Ich hob die Bettdecke und sah die nackte Matratze.
Sie fing zu weinen an.
»Das hat nichts zu bedeuten«, sagte ich. Ich half ihr auf und ließ sie sich auf den Rand des Betts setzen. »So was passiert andauernd.«
»Woher weißt du das?« Sie schluchzte.
»Männer bekommen plötzlich Angst. Sie können nicht, und dann sind sie verunsichert und schämen sich. Das kann mal vorkommen«, sagte ich. »Es ist nicht so schlimm.«
Damals glaubte ich tatsächlich noch, dass es so war.
Fürstin Johanna reiste drei Tage später ab. Ich ging an ihrem Zimmer vorbei und sah, dass die Tür offen stand. Etwas von dem Stroh, mit dem man Kisten ausgepolstert hatte, war auf dem Boden verstreut, ein paar Scherben lagen herum und Stoffreste, die selbst die Dienstmädchen nicht mehr gebrauchen konnten.
Später erfuhr ich, dass die Kaiserin Johanna einen Brief an den König von Preußen mitgegeben hatte. Darin forderte sie ihn auf, den preußischen Gesandten sofort abzuberufen. Es ging das Gerücht um, in Berlin sei ein russischer Spion aufgeflogen und zum Tod verurteilt worden. Ein preußischer Repräsentant in Sankt Petersburg wurde nach Sibirien verschickt. Von engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Preußen und Russland war keine Rede mehr – der Kanzler hatte erreicht, was er wollte.
Die Fürstin hatte sich nicht von ihrer Tochter verabschiedet. Sie hinterließ eine Nachricht, in der sie schrieb, sie wolle nicht, dass Trennungsschmerz das Glück einer jungen Braut trübe.
Katharina las das Schreiben und warf es ins Feuer.
»Fang mich, Warenka«, sagte sie und rannte davon.
Ich lief ihr nach.
Drei
1745-1748
A ls die festliche Hochstimmung verebbt war, fiel die Kaiserin wieder in ihre alte launische Übererregbarkeit zurück. Wieder sah sie überall schlimme Vorzeichen, und es waren immer Vorzeichen, die sie selbst betrafen. Ein klapperndes Fenster, ein toter Vogel, der durch den Kamin fiel, ein Reitumhang, der nicht mehr auffindbar war. Jagden wurden abgesagt, Kleider zurückgewiesen, Fragen mit mürrischem Achselzucken beantwortet. Nur ihre Katzen heiterten sie auf. Sie nahm sie auf den Arm, nannte sie ihre »lieben Kleinen«, rollte Wollknäuel über den Boden, die sie jagen konnten. »Du liebst mich allein um meinetwillen«,
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