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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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hörte ich sie zärtlich flüstern, das Gesicht in Puschoks seidigem Fell vergraben.
    Böse Gerüchte gingen um. Peter hatte seine Tante eine brünstige Stute genannt. Eine fette Schlampe. Das war weder geistreich noch originell, aber was konnte man von einem Trottel, der es amüsant fand, Gläser mit Schnaps über den Köpfen seiner Diener auszukippen, anderes erwarten? »Glaubt die denn, sie kann mich wie einen Affen im Käfig halten?«, hatte er einmal geschrien. Er brachte eine Schachtel voll Zinnsoldaten mit ins Schlafzimmer. Drei Stunden lang erklärte er Katharina taktische Feinheiten irgendeiner Schlacht, bevor er betrunken einschlief.
    Einen Monat nach der Hochzeit war die Großfürstin immer noch Jungfrau.
    Die Kaiserin war nicht gut auf ihn zu sprechen. »Das ist der Dank für alles, was ich getan habe!«, kreischte sie. »Ich war zu gut, zu nachsichtig.«
    Das waren die Worte des Kanzlers, vermutete ich, das schleichende Gift des Ressentiments, das er ihr Tag für Tag verabreichte, tat seine Wirkung. Überall im kaiserlichen Schlafzimmer entdeckte ich seine Spuren: nach Muskat duftende Handschuhe aus Montpellier, seine Brille auf einem Stapel von Papieren, die ich der Kaiserin vorlesen musste. Jedes Mal, wenn er hereintrat, streifte er mich mit einem Blick, die Augen leicht verengt, als wäre ich Dunst, der ihm die Sicht trübte.
    Er hatte mich immer noch nicht wieder rufen lassen. Er legte keinen Wert mehr auf die Lust, die ich ihm verschaffte, die Geschichten und Neuigkeiten, die ich ihm bringen konnte, interessierten ihn nicht mehr.
    Kann mir doch egal sein , dachte ich.
    Wenn sich Furcht in meinen Trotz mischte, schob ich sie beiseite.
    Die Kaiserin legte immer noch Wert auf meine Dienste. Ich war immer noch Katharinas einzige Vertraute.
    Wenn ich bei der Kaiserin war, betonte ich immer, wie gewissenhaft das großfürstliche Paar seinen offiziellen Pflichten nachkam. Ich pries Peters Geduld und Katharinas Anmut. In den vergangenen Wochen hatten sie Patenschaften übernommen, waren als Trauzeugen aufgetreten, hatten bei allerlei Festgottesdiensten und Weihungen das Kaiserhaus würdig repräsentiert.
    Die Kaiserin zuckte die Achseln und schnaubte leise.
    »War er letzte Nacht bei ihr, Warwara?«
    »Ja, Majestät.«
    »Hat er sie zu Bett gebracht?«
    »Ja.«
    »Und warum hat er nicht mit ihr geschlafen? Was hat sie getan, dass er sie nicht anrührt?«
    »Sie ist schüchtern«, sagte ich.
    »Schüchtern?« Sie wedelte mit der Hand zum Zeichen, dass ich entlassen war. So wie sie das Wort aussprach, klang es wie Hohn.
    Draußen auf dem Korridor wechselten die Wachposten eben
ihre Positionen. Sie trugen die Uniform des Preobraschenski-Regiments, grün mit roten Aufschlägen. Gerüche von Schnupftabak, Wodka und Schweiß wehten durch die Luft. Stiefel knallten, Degen klirrten. Silberne Gürtelschnallen blinkten.
    Ich eilte vorbei, ohne auf sie zu achten.
     
    »Gräfin Rumjanzewa möchte wissen, warum. Was kann ich ihr sagen, Warenka?«
    Katharina hatte einen Grashalm im Mund. Wir saßen im Garten des Palasts, wo wir vor Lauschern sicher waren.
    In der Nacht zuvor war der Großfürst sehr spät ins Bett gekommen. Sie hatte versucht, ihn zu umarmen, aber er hatte sie weggeschubst. Dann hatte er ihr den Rücken zugedreht und war eingeschlafen.
    »War er wieder betrunken?«, fragte ich.
    »Ja, ein bisschen.« Katharina schnippte den Grashalm fort. Ihre Augen waren rot gerändert.
    Alle plagten sie mit Ratschlägen. Gräfin Rumjanzewa meinte, sie solle ihr Nachthemd weiter aufknöpfen, sodass ihre Brüste sichtbar wären. Der kaiserliche Parfümier schwor auf die Wirkung von Zimt und Sandelholz. Nur Düfte, betonte er, könnten heftige seelische Reaktionen auslösen. Selbst die Zofen wagten sich aus der Deckung und empfahlen ihrer Herrin einen Tee aus getrocknetem Haferstroh.
    Es war Zeit, dass das Gerede endlich aufhörte.
    Ich drückte Katharina ein Glasröhrchen mit Taubenblut in die Hand, wie man es für ein paar Kopeken in verrufenen Gassen von Sankt Petersburg kaufen kann. Ein einfacher Betrug würde die geschwätzigen Zungen am Hof verstummen lassen, und Katharina würde Zeit gewinnen.
    »Trinken Sie Wein mit ihm, bringen Sie ihn zum Lachen«, sagte ich. »Und wenn er eingeschlafen ist, schmieren Sie etwas von diesem Blut auf die Laken.«
    »Aber er wird doch wissen, dass es ein Schwindel ist.«
    »Er wird es nicht sicher wissen. Und er wird in keinem Fall etwas sagen. Auch er möchte endlich in Frieden

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