Der Winterpalast
tiefgründige Lächeln des Kanzlers.
Am Hochzeitstag half die Kaiserin persönlich, die Braut zu schminken und anzukleiden. Sie tupfte ihr etwas Rouge auf die Wangen, setzte ihr die Fürstenkrone aufs frisch gelockte Haar und umarmte sie, bevor sie die Schneiderin letzte Hand an Katharinas Garderobe anlegen ließ.
»Ein Freudentag«, sagte Elisabeth. »Ein neuer Anfang.«
Unter dem Klang von Pauken und Trompeten fuhren einhundertundzwanzig Kutschen vom Winterpalast zur Kirche, vorbei an Ehrenformationen der Garde in prächtigen neuen Uniformen. Brausende Hochrufe ertönten aus der dicht gedrängten Menge. Katharina und Peter saßen mit der Kaiserin in der Kutsche, die wie ein kleines Schloss aussah. Sie wurde von acht Schimmeln mit goldenem Zaumzeug und hoch aufragenden Federbüschen gezogen.
Die Trauungszeremonie war großartig. Der Priester sang »Herr, unser Gott, kröne sie mit Herrlichkeit und Ehre«, während zwei glitzernde Kronen über die Häupter von Braut und Bräutigam gehalten wurden. Diese Kronen sollten dann in einer Vitrine über dem Bett der Neuvermählten prangen. Die schlichten goldenen Eheringe wurden gesegnet und angesteckt.
Braut und Bräutigam fielen vor der Kaiserin auf die Knie, um ihren Segen zu erbitten. Kanonen donnerten, alle Kirchenglocken von Sankt Petersburg läuteten. Der Ehrwürdige Vater Theodorski sprach von den Wundern der Vorsehung, die die Nachkommen der Geschlechter Anhalt und Holstein miteinander vereint habe und sie, die auserwählt seien, über das russische Volk zu herrschen, beschützen werde. Der Kanzler des Reichs wünschte in einer blu
migen Rede Glück und Segen, pries Elisabeths weibliche Intuition und beschwor das Vermächtnis jener anderen Katharina Alexejewna, der geliebten Gemahlin Peters des Großen und russischen Kaiserin. Er sprach von des Großfürsten unbeirrbar festem Charakter, der ihn als einen durch und durch echten Romanow ausweise. Heute sei ein großer Tag, sagte der Kanzler, ein Tag, der ihn mit Stolz und Hoffnung für Russland erfülle und mit tiefer Dankbarkeit gegenüber Ihrer Majestät.
»Alter Schmeichler«, murmelte die Kaiserin.
Sie strahlte.
Keinerlei schlechte Vorzeichen trübten die freudige Stimmung. Der Bräutigam trat als erster auf das weiße Tuch, auf dem das Paar in der Kirche stehen sollte. Die Ringe fielen nicht auf den Boden, keine Kerze erlosch.
Von dem ganzen Festtrubel am Abend habe ich eine sonderbar zusammengewürfelte Reihe von Szenen und Eindrücken im Gedächtnis: ein betrunkener Franzose, der davon erzählte, dass er auf einer seiner Reisen einmal eine Hexe gesehen hatte, die einfach nicht brennen wollte; ein griesgrämiger Österreicher, der sich an einem Stück Wurst verschluckte; der Uringestank, der vom offenen Kamin in einem der Säle herwehte; gierige Hände, die meinen Busen betatschten; eine Katze, die von einem Ferkel über einen Hof gejagt wurde.
Ich erinnere mich an Katharinas Gesicht, an die von Belladonna geweiteten Augen, an das schimmernde Hochzeitskleid, dessen Saum schmutzig geworden war. Sie hatte schlimmen Schluckauf, der sich hartnäckig hielt. Und an Peters übellaunige Reaktion, als jemand bemerkte, es sei ganz verständlich, dass er es kaum erwarten könne, Cupidos Lager aufzusuchen.
Fürstin Johanna fiel vor allem dadurch auf, dass sie andauernd alles und jedes um sie herum in den höchsten Tönen lobte. Das Brautkleid war atemberaubend schön, die Kaiserin voller Güte und Freundlichkeit. Die Fürstin war glücklich, ihre Tochter in so guten Händen zu wissen. Russland sah einer glänzenden Zukunft
entgegen, es war ein mächtiges Reich, das auf der Welt nicht seinesgleichen hatte.
Sie werde, sagte sie immer wieder, dankbar an die schöne Zeit in Russland zurückdenken, aber jetzt freue sie sich darauf, nach Hause zurückzukehren.
Die große silberne Scheibe des Mondes stand über der Newa, genau über der Peter-und-Paul-Festung. Die Luft war abgekühlt, ein ferner Vorbote der eisigen Nordwinde, die bald kommen sollten. Die Gaukler auf den Straßen jonglierten längst mit brennenden Fackeln statt mit Bällen und Ringen. Feuerwerksraketen stiegen auf und versprühten Funkenregen.
Die beiden Hochzeitskronen waren in einen Schaukasten über dem Bett des jungen Paars gestellt worden.
Die Kaiserin selbst geleitete die Neuvermählten zu ihrem Schlafgemach und schloss die Tür hinter ihnen.
Am nächsten Morgen nahm ich der Kammerzofe, die eben auf dem Weg zum Schlafzimmer der
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