Der Winterpalast
stocken.
Diese Mädchen waren teuflische Wesen, eine Nacht mit ihnen bedeutete den Tod.
Die Kaiserin verschwendete keine Zeit. Die Hochzeit fand bereits eine Woche später in der Hofkapelle statt. »Es ist eine große Ehre«, versicherte mir die neue Kammerfrau, die mir zu meiner »Erhebung« gratulierte. Sie verkniff sich jede Andeutung darauf, dass das Ereignis sie überrascht hatte, und heuchelte neidlos hingerissene Bewunderung, als sie aufzählte, wer alles der Trauungszeremonie beiwohnen würde: »Die Kaiserin. Der Großfürst. Die Großfürstin. Und sogar der Kanzler!«
Sie pries die Umsicht der Kaiserin, ihre Großzügigkeit, beglück
wünschte mich zu der üppigen Mitgift und den kostbaren Geschenken, die ich von ihr erhalten hatte. Vielleicht hätte die Kammerfrau das unerwähnt gelassen, wenn sie gewusst hätte, was ich wusste – nämlich, dass mein Verlobter gegen die Sicherheit der allerhöchsten Gunst, deren sich seine künftige Ehefrau erfreute, bereits Geld geliehen hatte, das er beim Pharo gewinnbringend einzusetzen gedachte.
Das weiße Satinkleid, in dem ich zur Kirche gehen sollte, war eines der Geschenke der Kaiserin. Sie hatte es zu einer Zeit getragen, als sie noch schlank war. Damals war es mit Edelsteinen verziert gewesen, die man aber abgetrennt hatte; die Stellen, an denen sie gesessen hatten, wirkten wie lauter kleine Tränen. »Wenn man es nicht weiß, sieht man gar nicht, dass da mal etwas war«, hatte die Schneiderin mir versichert.
Die Großfürstin schaute vorbei, während ich für die Hochzeit angekleidet wurde. Sie hatte dunkle Ringe um die Augen. Die neue Ehrendame, die sie begleitete, wirkte unsicher; offenbar wusste sie noch nicht so recht, was von ihr erwartet wurde.
»Es ist nur eine Kleinigkeit«, sagte Katharina und überreichte mir ein Päckchen, das die Form einer Rolle hatte. »Aber ich hoffe, es wird dir gefallen.«
Ich sollte es erst öffnen, wenn ich in meinem neuen Zuhause war.
Sie freue sich für mich, sagte sie. Die Ehe sei ein Segen, die edelste Bestimmung einer Frau und ihr höchstes Glück.
Wir wussten beide, dass sie nichts anderes sagen durfte.
War Igor einer von Elisabeths Liebhabern gewesen, fragte ich mich. Ein strammer junger Mann, der jedes Mal strahlend grinste, wenn er sich im Spiegel sah. Ein Naturbursche, strotzend vor Kraft, ein ganzer Kerl. Genau das, was Elisabeth schätzte.
Hatte er mich in einer jener Nächte, in der Elisabeth betrunken, leichtsinnig, unersättlich gewesen war, in ihrer Schlafzimmerlotterie gewonnen? Oder war ich nur ein Trostpreis?
Alle Soldaten der Garde träumten davon, wenn sie ihre Uniformen bürsteten und die silbernen Knöpfe polierten, junge Männer, die sich den Mund mit Wodka ausspülten und Petersilienstängel kauten, damit ihr Atem angenehm roch. Die Nachtschichten waren heiß begehrt, was dem Kommandeur des Regiments bedeutende Nebeneinkünfte aus Schmiergeldern sicherte.
Ich hatte oft gesehen, wie sich die Tür von Elisabeths Schlafzimmer nach Mitternacht leise öffnete. Manchmal kam es vor, dass doch einer zögerte und von seinen Kameraden ermutigt werden musste. Sie wussten alle, was diejenigen erwartete, die das Unglück hatten, ihr zu missfallen. Sie hatten von Männern erzählen hören, die gerade noch Zeit genug hatten, ihre Uniform zusammenzuraffen, bevor sie nackt aus dem Zimmer gejagt wurden, die sich hastig in einem Dienstbotenkabuff anzogen, die Ohren rot vor Scham. Aber in den Kneipen redete keiner von solchen Risiken. »Alte Hennen geben die besten Suppen«, sagten sie. »Unter dem Rock sind alle Frauen jung.«
An meinem Hochzeitstag strich ich mit dem Finger über den glatten weißen Satin und gelobte, den Mann an meiner Seite zu ehren und ihm zu gehorchen in guten und in schlechten Tagen. Ich gelobte es sogar zweimal, erst vor einem orthodoxen und dann vor einem katholischen Priester, denn ich war, wie der Kaiserin zu ihrem Verdruss bewusst wurde, nachdem sie mich mit der Ikone des heiligen Nikolaus gesegnet hatte, nie konvertiert.
Ich fühlte die Hand meines Mannes, die mich niederzog auf die Knie, ich hörte seine Stimme die Großherzigkeit der Zarin preisen.
Katharina und der Großfürst wohnten der Zeremonie bei. Sie in einem saphirblauen Kleid, das üppig mit Silber bestickt war, er, dem Anlass entsprechend, in der grünen Uniform des Preobraschenski-Regiments, die Perücke frisch gelockt und gepudert, einen Spazierstock mit goldenem Knauf in der Hand. Er sagte etwas zu
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