Der Winterpalast
verheimlichen?
Sie fing zu husten an, hielt sich ein Taschentuch vor den Mund, scheuchte mich wild fuchtelnd hinaus.
Ich verneigte mich tief, bevor ich forteilte. Ich wusste, dass ich jetzt nur noch warten musste, bis das Unwetter sich ausgetobt hatte.
Am Morgen schickte der Kanzler mir eine Nachricht: Zwei von Katharinas Ehrendamen packten hastig ihre Sachen, auch einer der Kammerdiener des Großfürsten war abberufen worden. Und Bestuschew freute sich, mir mitteilen zu können, dass die Kaiserin mich wieder in ihr Gefolge aufgenommen hatte.
Madame Malikina: Ehrendame vom Dienst bei der Abendtoilette , schrieb der Oberhofmeister im Hofjournal. Ich musste mich jeden Abend im Vorzimmer des kaiserlichen Schlafgemachs einfinden. Meiner Familie wurde eine Wohnung im Palast zugeteilt.
Je näher der Umzug rückte, desto aufgeregter war Darja. Sie genoss es, durch leere Zimmer zu rennen, sich in offenstehenden Kisten zu verstecken oder auf Stapeln von Bettwäsche herumzuhüpfen. Mascha hatte ihr beigebracht, wie man knickst, und meine Tochter legte dabei eine erstaunliche Anmut an den Tag, besonders wenn sie ihr neues butterblumengelbes Seidenkleid mit Blütenstickereien trug, eines der viel zu teuren Geschenke Igors.
Ich fragte meinen Mann nicht, was er von dieser plötzlichen Wendung unseres Geschicks hielt. Er war lange genug Offizier der Garde, um zu wissen, dass man einem kaiserlichen Befehl Folge leisten musste. Man fragt nicht nach dem Wie und Warum,
wenn der Fluss über die Ufer tritt, vielmehr schaut man, ob das Wasser nicht etwas Nützliches anspült.
Gegen meine Erwartung fühlte ich am Tag des Umzugs beim Anblick all der Koffer, Kisten und Körbe, die in der Wohnung in der Apothekergasse herumstanden, keine Trauer. Die Möbelpacker hatten Schrammen an den Türen und im Parkett hinterlassen, die leeren Räume wirkten kahl und schäbig.
Es war, als hätte ich nie dort gelebt.
Unsere Wohnung befand sich in einem abgelegenen Teil des Palasts nahe bei den Pferdeställen, aber das störte Mascha nicht. Ihr gefielen der Lärm und der ländliche Mistgeruch, die jedes Mal hereindrangen, wenn man ein Fenster öffnete. Sie freute sich, dass wir für unsere fünf Zimmer keine Miete zu zahlen brauchten, dass wir Anspruch auf reichlich kostenlose Wachskerzen hatten, dass wir an einer der kaiserlichen Tafeln essen durften und sogar Kleidung erhielten, darunter abgelegte Stücke aus der kaiserlichen Garderobe.
Von vielen ihrer früheren Pflichten befreit, nutzte Mascha die gewonnene Muße dazu, mit wahrem Feuereifer eine Inventur zu veranstalten. Sobald die Möbel aufgestellt, die Kisten und Kästen leergeräumt waren, kam sie mit einem Blatt Papier zu mir und forderte mich auf, alle unsere Besitztümer in einer Liste zu verzeichnen.
Zwei Schlafröcke, einer aus Kattun, einer aus gestreifter Seide, sechs Rubel
Eine weiße Hose aus feinem Baumwollstoff, fünf Rubel
Zwölf holländische Leinenhemden mit Rüschen, zehn Rubel
Ein Fuchspelzmantel mit Wollstoff gefüttert, vierzig Rubel
Sie führte Darja herum, wies sie auf die reich vergoldeten Möbel hin, auf die dicken Teppiche, die großen Spiegel und die Maschine auf Rädern, die Rosenduft versprühte, wenn man sie durch die
Wohnung schob. Sie verfolgte die Kammermädchen auf Schritt und Tritt, um hinter das Geheimnis zu kommen, wie sie es anstellten, Messing und Kristall so glänzend zu polieren. Sie sagten ihr, sie benützten nichts anderes als gewöhnliches Wasser und Essig, aber sie glaubte ihnen nicht.
Die Operation ging flott über die Bühne – ohne Einverständnis und Wissen des Großfürsten. Wenn die Kaiserin eine Sache selbst in die Hand nahm, ließ sie sich nicht von Kleinigkeiten aufhalten.
Zwei seiner Holsteiner Offiziere überredeten ihn dazu, mit ihnen um die Wette zu pinkeln. Das sollte am nächsten Morgen die Erklärung dafür liefern, dass der Großfürst Schmerzen an seinem Glied hatte. Man tat ihm sicherheitshalber Opium in den Wein, obwohl sein übliches Quantum Alkohol alleine bereits genügt hätte, ihn benommen zu machen. Graf Lestocq wartete im Zimmer nebenan, seine Skalpelle in seiner Arzttasche. Der Eingriff dauerte nur wenige Minuten. Als das Messer die Haut durchschnitt, zuckte der Patient und murmelte etwas, über das alle Anwesenden lachen mussten. Am nächsten Morgen, als Peter über Schmerzen klagte, sagten die Holsteiner: »Sie haben sicher ein bisschen zu heftig dran gezogen, Hoheit.«
Aber Elisabeth
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