Der Winterschmied
leidliches M, zögerte und malte ein R, als Oma »Drei!« sagte.
»Da muss ein >A< drin sein, Rob«, sagte Billy Breitkinn. Er sah trotzig zu Oma auf und fügte hinzu: »Wie ich hörte, können sich die Regeln jederzeit ändern, nicht wahr?«
»Natürlich. Fünf!«
In einem Anfall von Kreativität kritzelte Rob ein A und fügte ein weiteres M hinzu.
»Sechseinhalb«, sagte Oma Wetterwachs ruhig und streichelte das Kätzchen.
»Was? Potzblitz«, brummte Rob und wischte sich die schweißnasse Hand am Kilt ab. Dann ergriff er wieder den Stift und malte ein L. Es hatte einen ziemlich welligen Fuß, denn der Stift rutschte ihm aus den Händen, und die Spitze brach ab.
Rob knurrte und zog sein Schwert.
»Acht«, sagte Oma. Holzsplitter stoben davon, als Rob eine neue und recht grobe Spitze aus dem Stift hackte. »Neun.«
Rob kritzelte ein A und ein D. Inzwischen traten ihm die Augen aus den Höhlen, und seine Wangen waren rot. »Zehn.«
Rob nahm neben dem Wort MRAMLAD Haltung an. Jetzt wirkte er nicht mehr nur nervös, sondern auch ein bisschen stolz. Die Wir-sind-die-Größten jubelten, und die neben ihm fächelten ihm mit ihren Kilts Luft zu. »Elf!«
»Was? Potzblitz!« Rob eilte zum Ende des Worts und klierte ein kleines e aufs Holz.
»Zwölf!«
»Du kannst zählen, solange du willst, Frau Hexe«, sagte Rob und warf den Stift hin, »aber mehr Marmelade bekommst du nich'!« Das brachte ihm weiteren Jubel ein.
»Eine heldenhafte Anstrengung, Herr Irgendwer«, sagte Oma. »Das Erste, was ein Held besiegen muss, ist seine Furcht, und wenn es ums Kämpfen geht, wissen die Wir-sind-die-Größten nicht, was das Wort Furcht bedeutet.« »Ja, allerdings«, brummte Rob. »Wir wissen bei vielen Wörtern nich', was sie bedeuten!«
»Kannst du gegen einen Drachen kämpfen?«
»Na klar, her damit!« Rob ärgerte sich noch immer über die Marmelade.
»Kannst du einen hohen Berg ersteigen?«
»Null Problemo!«
»Kannst du ein Buch bis zum Ende lesen, um eure große kleine Hexe zu retten?«
»Ja, klar.« Rob hielt inne. Besorgt befeuchtete er sich die Lippen. »Wie viele Seiten wären denn in dem Buch?«, fragte er heiser.
»Hunderte«, antwortete Oma.
»Und auf beiden Seiten steht was drauf?«
»Ja, und in ganz kleiner Schrift!«
Rob duckte sich. Das machte er immer, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlte, denn so konnte er besser losschlagen, wenn der Kampf begann. Die Größten hielten den Atem an.
»Ich mach's!«, verkündete er grimmig und ballte die Fäuste.
»Gut«, sagte Oma. »Natürlich würdest du es tun, und es wäre heldenhaft - für dich. Aber jemand muss in die Unterwelt und dort die richtige Sommerfrau finden. Das ist eine Geschichte. Sie ist schon einmal passiert. Sie funktioniert. Und der Held muss seine Aufgabe in Angst und Schrecken bewältigen, wie ein richtiger Held, denn viele der Ungeheuer, die es zu besiegen gilt, sind die in seinem Kopf, die er selbst mitbringt. Es wird Zeit für den Frühling, und Winter und Schnee sind noch immer hier, und deshalb müsst ihr den Helden sofort finden. Findet ihn und bringt ihn auf den richtigen Weg. Auf den Weg, der nach unten führt, Rob Irgendwer.«
»Ja, den Weg kennen wir«, sagte Rob.
»Sein Name lautet Roland«, sagte Oma. »Ich schätze, ihr solltet aufbrechen, sobald es hell wird.«
Der Besen raste durch den schwarzen Schneesturm. Für gewöhnlich flog ein Hexenbesen dorthin, wohin die Hexe wollte, und Tiffany lag lang ausgestreckt auf dem Stiel und versuchte, nicht zu erfrieren, während sie hoffte, dass der Besen sie nach Hause brachte. Sie sah nichts außer Dunkelheit und wirbelndem Schnee, der ihr in die Augen stach, und deshalb klammerte sie sich mit heruntergezogenem Hut an den Besen, um dem Wind keinen Widerstand zu bieten. Trotzdem trafen sie die Flocken wie Steine, und Schnee sammelte sich auf dem Stiel an. Alle paar Minuten musste sie um sich schlagen, damit der Besen nicht vereiste.
Unter sich hörte sie das Donnern des Wasserfalls und fühlte die plötzliche Leere, als der Besen über die Ebene hinausflog und zu sinken begann. Sie fror bis in die Knochen.
Sie konnte nicht gegen den Winterschmied kämpfen, nicht auf Annagrammas Art. Schon, sie konnte es sich vornehmen und wild entschlossen zu Bett gehen, aber wenn sie ihn sah...
... Genug Eisen für einen Nagel... Die Worte hingen in ihrem Kopf, während der Besen weiterflog, und sie erinnerte sich an den alten Kindervers, den sie vor vielen Jahren gelernt hatte, als
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