Der Winterschmied
aus Eis, der wie eine Frau aussah, heißt es. Was soll man davon halten?«
»Ich schätze, wenn die Männer lange genug auf See waren, sieht für sie alles wie eine Frau aus, nicht wahr?«, sagte der Mann und lachte leise. Die Frauen warfen ihm finstere Blicke zu.
»Stand in den Brief auch, wem die... ob die Frau aus Eis jemandem... ähnelte?«, fragte Tiffany bemüht beiläufig. »Kommt darauf an, wo sie hinschauten...«, begann der Mann gut gelaunt.
»Du solltest dir das Gehirn mit Wasser und Seife auswaschen«, sagte die Frau und stieß ihm den Zeigefinger auf die Brust.
»Äh, nein, Fräulein Hexe«, sagte der Mann und sah auf seine Füße. »Er hat bloß geschrieben, dass der Kopf der Eisfrau voller Möwendreck war.«
Tiffany versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Sie blickte auf die im Wind flatternden Zettel am Grab hinab und sah dann wieder die Frau an, die etwas hinter ihrem Rücken zu verstecken suchte, das vermutlich ein neuer Bittbrief war.
»Glaubst du an so etwas, Frau Fuhrmann?«
Die Frau wirkte plötzlich nervös. »O nein, Fräulein Hexe, natürlich nicht. Es ist nur... nun, weißt du...«
Du fühlst dich dadurch besser, dachte Tiffany. So was kann man tun, wenn sonst nichts mehr getan werden kann. Und wer weiß, vielleicht funktioniert es. Ja, ich weiß. Es...
Ihre Hand juckte. Tiffany merkte erst jetzt, dass sie schon seit einer ganzen Weile juckte.
»Ach, ja?«, sagte sie halblaut. »Du wagst es?«
»Stimmt was nicht, Fräulein Hexe?«, fragte der Mann.
Tiffany achtete nicht auf ihn. Ein Reiter näherte sich, und Schnee folgte ihm, breitete sich wie ein Mantel hinter ihm aus, lautlos wie ein Wunsch, dicht wie Nebel.
Ohne den Blick von ihm abzuwenden, griff Tiffany in die Tasche und schloss die Finger um das kleine Füllhorn. Ha!
Dann marschierte sie los.
Als das schneeweiße Ross die alte Hütte erreichte, stieg der Winterschmied ab.
Mit klopfendem Herzen blieb Tiffany etwa sechs Meter entfernt stehen.
»Verehrteste«, sagte der Winterschmied und verneigte sich.
Er sah... besser aus, und älter.
»Ich warne dich!«, sagte Tiffany. »Ich habe ein Füllhorn und bin bereit, es zu benutzen!« Aber sie zögerte. Der Winterschmied wirkte fast menschlich, bis auf das starre, sonderbare Lächeln. »Wie hast du mich gefunden?«, fragte sie.
»Für dich habe ich gelernt«, sagte die Gestalt. »Ich habe gelernt zu suchen. Ich bin ein Mensch!«
Wirklich? Aber mit seinem Mund stimmt was nicht, meldeten sich ihre Dritten Gedanken zu Wort. Er ist blass innen drin, wie Schnee. Das da ist kein junger Mann. Er hält sich nur dafür.
Du brauchst nur einen dicken Kürbis, drängten die Zweiten Gedanken. Die sind um diese Jahreszeit ganz schön hart. Jetzt wirf schon!
Tiffany selbst - die äußere Tiffany, die die Luft in ihrem Gesicht spüren konnte - dachte: Das kann ich nicht! Er steht doch nur da und spricht. Das ist alles meine Schuld!
Er will einen Winter, der nie aufhört, sagten die Dritten Gedanken. Alle, die du kennst, werden sterben!
Tiffany war sicher, dass die Augen des Winterschmieds in sie hineinsehen konnten.
Der Sommer tötet den Winter, beharrten die Dritten Gedanken. So ist das nun einmal!
Aber nicht auf diese Weise, dachte Tiffany. Ich weiß, dass es so nicht gedacht war! Irgendwas stimmt hier nicht. Es ist nicht die richtige... Geschichte. Der König des Winters kann keinem fliegenden Kürbis zum Opfer fallen! Der Winterschmied beobachtete sie aufmerksam. Tausende von tiffany förmigen Schneeflocken fielen um ihn herum.
»Beenden wir jetzt den Tanz?«, fragte er. »Ich bin ein Mensch, genau wie du!« Er streckte die Hand aus.
»Weißt du denn, was ein Mensch ist?«, fragte Tiffany.
»Ja! Das ist leicht! Genug Eisen für einen Nagel!«, antwortete der Winterschmied sofort. Er strahlte, als hätte er ein Kunststück vollbracht. »Und jetzt lass uns tanzen, bitte...«
Er trat einen Schritt vor. Tiffany wich zurück.
Wenn du jetzt tanzt, ist es das Ende, warnten ihre Dritten Gedanken. Dann bist du von dir selbst überzeugt und vertraust deinem Stern, und große funkelnde Dinge tausende von Meilen hoch am Himmel kümmert es nicht, wenn ihr Licht auf immer währenden Schnee fällt.
»Ich bin... nicht bereit«, brachte Tiffany hervor. Es war kaum mehr als ein Flüstern.
»Aber die Zeit vergeht«, sagte der Winterschmied. »Ich bin ein Mensch, ich weiß diese Dinge. Bist du nicht eine Göttin in menschlicher Gestalt?«
Sein Blick bohrte sich in sie
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