Der Winterschmied
lasse ich mich nicht ein, dachte Tiffany. Bestimmt grinst sie. Und außerdem geht es sie gar nichts an. »Ja«, sagte sie. »Das stimmt, Fräulein Verrat. Eine Art Freund.«
Eine lange Stille folgte, und Tiffany nutzte sie, um den Boden einer eisernen Bratpfanne sauber zu kratzen.
»Es ist wichtig, Freunde zu haben«, sagte Fräulein Verrat mit einer Stimme, die irgendwie nicht mehr so bestimmt klang wie vorher. Es hörte sich an, als hätte Tiffany gewonnen. »Bitte sei so nett und bring mir meine Wirrwarrtasche, wenn du fertig bist.«
Tiffany holte die Tasche und eilte dann zur Milchkammer. Dort hielt sie sich gern auf - der Raum erinnerte sie an zu Hause, und sie konnte dort besser nachdenken. Sie...
Unten in der Tür klaffte ein käseförmiges Loch, doch Horace befand sich wieder in seinem zerbrochenen Käfig. Er ließ ein leises Mnmnmnmnmn hören, vielleicht ein Käseschnarchen. Tiffany ließ ihn in Ruhe und kümmerte sich um die Morgenmilch.
Wenigstens schneite es nicht. Sie merkte, wie sie errötete, und versuchte, nicht mehr daran zu denken.
Und am Abend fand ein Hexensabbat statt. Ob die anderen Mädchen Bescheid wussten? Ha! Natürlich wussten sie Bescheid. Hexen achteten auf Schnee, insbesondere dann, wenn er jemand anderen in Verlegenheit brachte. »Tiffany?«, rief Fräulein Verrat. »Ich möchte mit dir reden.«
Fräulein Verrat hatte sie kaum jemals Tiffany genannt. Es war seltsam, den Namen aus ihrem Mund zu hören. Fräulein Verrat hielt ein Wirrwarr hoch. Ihre Sehmaus baumelte hilflos inmitten von Knochenstücken und Gummibändern.
»Das kommt mir äußerst ungelegen«, sagte sie und hob die Stimme. »He, ihr Schlingel! Zeigt euch! Ich weiß, dass ihr da seid! Ich kann sehen, wie ihr mich anschaut!«
Hinter fast allen Gegenständen kamen Köpfe kleiner blauer Männer zum Vorschein.
»Gut! Tiffany Weh, setz dich!«
Tiffany setzte sich schnell.
»Und dann noch zu einem solchen Zeitpunkt«, sagte Fräulein Verrat und legte das Wirrwarr hin. »Sehr unpassend. Aber es besteht kein Zweifel.« Sie zögerte kurz und sagte dann: »Übermorgen sterbe ich. Am Freitag, kurz vor halb sieben Uhr morgens.«
Es war eine eindrucksvolle Bemerkung, die die folgende Antwort nicht verdiente: »Oh, wie schade, dass du das Wochenende verpasst«, sagte Rob Irgendwer. »Ist es schön dort, wo du hingehst?«
»Aber... aber... du kannst doch gar nicht sterben!«, entfuhr es Tiffany. »Du bist hundertdreizehn Jahre alt, Fräulein Verrat!«
»Nun, das ist vermutlich der Grund, Kind«, sagte Fräulein Verrat ruhig. »Hat dir niemand gesagt, dass Hexen wissen, wann es für sie so weit ist? Wie dem auch sei, ich mag schöne Beerdigungen.«
»Oh, ja, es geht doch nichts über einen ordentlichen Leichenschmaus«, sagte Rob Irgendwer. »Mit viel Trinken un' Tanzen un' letzten Grüßen un' Schmausen un' Trinken.«
»Vielleicht gibt es etwas süßen Sherry«, sagte Fräulein Verrat. »Was das Schmausen betrifft: Ich bin immer der Meinung gewesen, dass gegen ein Schinkenröllchen nichts einzuwenden ist.«
»Aber du kannst doch nicht einfach so...«, begann Tiffany und verstummte, als Fräulein Verrat ihren Kopf so ruckartig drehte wie ein Huhn.
»Du meinst, ich kann doch nicht einfach so sterben und dich allein lassen?«, fragte sie. »Wolltest du das sagen?« »Ah, nein«, log Tiffany.
»Du musst natürlich bei jemand anderem unterkommen«, sagte Fräulein Verrat. »Du bist noch nicht alt genug für eine eigene Hütte, zumal es größere Mädchen gibt, die auf eine warten...«
»Du weißt doch, dass ich mein Leben nicht in den Bergen verbringen möchte, Fräulein Verrat«, warf Tiffany rasch ein.
»O ja, Fräulein Tick hat mir davon erzählt«, sagte die alte Hexe. »Du möchtest zu deinen kleinen Kreidehügeln zurück.«
»Sie sind nicht klein!«, fauchte Tiffany lauter als beabsichtigt.
»Ja, dies ist für uns alle eine anstrengende Zeit gewesen«, sagte Fräulein Verrat ganz ruhig. »Ich werde einige Briefe schreiben, die du ins Dorf hinunterbringst, und dann kannst du dir den Nachmittag freinehmen. Die Beerdigung findet morgen Nachmittag statt.«
»Wie bitte? Du meinst, bevor du stirbst?«, fragte Tiffany.
»Natürlich! Warum sollte ich mir nicht ein wenig Spaß gönnen?«
»Sehr vernünftig!«, lobte Rob Irgendwer. »Das is' ein wichtiger Aspekt, den die Leute normalerweise übersehen.«
»Wir nennen es eine Abschiedsparty«, verkündete Fräulein Verrat. »Natürlich nur für Hexen. Andere Leute
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