Der Winterschmied
Ich habe selbst gesprochen! Ich meine, es war meine Stimme! Aber es klang nicht nach ihm... ich meine, seine Stimme klang nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte! Sie klang ein wenig abfällig, so wie Annagramma, wenn sie schlechte Laune hat! Aber es war meine Stimme!«
»Wie sollte er denn deiner Meinung nach klingen?«, fragte Petulia.
Der Wind fauchte über die Lichtung und schüttelte dröhnend die Kiefern durch.
»... Tiffany... sei mein...«
Nach einer kleinen Weile hüstelte Petulia und fragte: »Ahm, habe ich es mir nur eingebildet, oder klang das wie...?«
»Nein, du hast es dir nicht eingebildet«, flüsterte Tiffany und stand ganz still.
»Ah«, sagte Petulia mit einer Stimme, die so klar und spröde war wie eine Rose aus Eis. »Nun, ich glaube, wir sollten jetzt in die Hütte zurückkehren, ja? Ahm, und wir sollten dort alle Feuer anzünden und Tee kochen, okay? Und dann beginnen wir damit, alles vorzubereiten, denn bald kommen ziemlich viele Leute hierher.«
Eine Minute später waren sie in der Hütte, hatten die Türen verriegelt und alle Kerzen angezündet.
Sie sprachen nicht über den Wind oder die Rosen. Welchen Sinn hätte das gehabt? Außerdem wartete Arbeit auf sie. Arbeit, das half. Arbeiten, nachdenken und später reden, nicht jetzt wie erschrockene Gänse schnattern. Es gelang ihnen sogar, eine weitere Schmutzschicht von den Fenstern zu entfernen.
Den ganzen Morgen über kamen Leute aus dem Dorf und brachten die von Fräulein Verrat bestellten Dinge. Sie bevölkerten die ganze Lichtung. Die Sonne stand am Himmel, wenn auch so blass wie ein pochiertes Ei. Die Welt gehörte... der Normalität. Tiffany fragte sich, ob es die Rosen wirklich gegeben hatte. Jetzt existierten sie nicht mehr - die Blütenblätter hatten nicht einmal das schwache Licht der Morgendämmerung überstanden. Und die Stimme... Hatte der Wind gesprochen? Dann begegnete sie Petulias Blick. Ja, es war geschehen. Aber momentan mussten sie sich um das leibliche Wohl der Beerdigungsgäste kümmern.
Die Mädchen hatten bereits mit der Arbeit an den Schinkenröllchen mit drei Sorten Senf begonnen, aber so beliebt Schinkenröllchen auch sein mochten - wenn es für siebzig bis achtzig hungrige Hexen sonst nichts zu essen gab, drohte eine absolute Partykatastrophe. Aus diesem Grund trafen Schubkarren mit Brot, Braten und so großen eingelegten Gurken ein, dass sie wie ertrunkene Wale wirkten. Hexen mögen Eingelegtes sehr gern, aber am liebsten mögen sie kostenloses Essen. Ja, das ist die richtige Kost für eine echte Hexe: jede Menge Essen, für das jemand anders bezahlt, und so viel, dass man sich etwas für später in die Taschen stopfen kann.
Wie sich herausstellte, bezahlte auch Fräulein Verrat nicht für das Essen. Niemand wollte Geld von ihr. Und die Leute wollten auch nicht wieder gehen, sondern warteten an der Hintertür und machten ein besorgtes Gesicht, bis Tiffany das Brote schneiden und -schmieren lange genug unterbrach, dass sie mit ihr reden konnten. Die Gespräche verliefen etwa so:
»Sie stirbt doch nicht wirklich, oder?«
»Doch. Morgen früh gegen halb sieben.«
»Aber sie ist so alt!«
»Ja. Ich glaube, das dürfte der Grund sein.«
»Aber was sollen wir ohne sie machen?«
»Ich weiß nicht. Was habt ihr gemacht, bevor sie hierher kam?«
»Sie war immer hier! Sie weiß alles! Wer sagt uns jetzt, was wir tun sollen?«
Und dann fragten die Leute: »Doch nicht etwa du, oder?« Und sie sahen Tiffany auf eine Weise an, die bedeutete: Hoffentlich nicht. Du trägst nicht einmal ein schwarzes Kleid.
Nach einer Weile hatte Tiffany genug davon und wandte sich mit sehr scharfer Stimme an die nächste Person, eine Frau, die sechs Brathähnchen brachte. »Was ist mit all den Geschichten über den Daumennagel, mit dem sie bösen Menschen den Bauch aufschlitzt?«
»Ah, nun ja, aber das ist niemandem passiert, den wir kannten«, erwiderte die Frau höflich.
»Und der Dämon im Keller?«
»Man spricht über ihn. Natürlich habe ich ihn nie mit eigenen Augen gesehen.« Die Frau bedachte Tiffany mit einem besorgten Blick. »Er ist doch dort unten, oder?«
Du möchtest, dass er dort unten ist, dachte Tiffany. Du wünschst dir tatsächlich ein Ungeheuer im Keller!
Aber soweit Tiffany wusste, war der Keller an diesem Morgen nur voller schnarchender kleiner blauer Männer, die ihren Rausch ausschliefen. Wenn man einen Haufen Größte in einer Wüste aussetzte, fanden sie innerhalb von zwanzig Minuten eine
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