Der Winterschmied
bewies, dass man eine richtige Hexe war und keine, die bloß eine Schau abzog. Doch vier schwarze Pfotenabdrücke von einem Kätzchen mitten auf dem Kleid deuteten darauf hin, dass man ein bisschen... zart besaitet war. Sie setzte die kleine Katze auf den Boden, und
sofort lief Du zu Oma Wetterwachs, strich ihr um die Beine und versuchte, noch etwas Hühnchen herbeizumaunzen.
»Was war denn die große Frage?«, fragte Fräulein Tick.
»Unter uns Hexen gesprochen, Perspicazia Tick: Ist der Winterschmied jemals einem Mädchen begegnet?« »Nun«, erwiderte Fräulein Tick, »ich denke, die klassischen Darstellungen des Sommers könnte man als ...« »Aber sind sie sich jemals begegnet}«, fragte Oma Wetterwachs.
»Beim Tanz, nehme ich an«, sagte Fräulein Tick. »Für einen Moment.«
»Und in dem Moment, genau in dem Moment, kommt Tiffany Weh herbeigetanzt«, sagte Oma Wetterwachs. »Eine Hexe, die kein Schwarz trägt, nein, sie bevorzugt Blau und Grün. Wie grünes Gras unter einem blauen Himmel. Die Kraft der Hügel ist immer in ihr. Und sie ist in den Hügeln! Ich spreche hier von Hügeln, die einst lebten, Fräulein Tick! Sie spüren den Rhythmus des Tanzes, und deshalb spürt ihn auch Tiffany in ihren Knochen, auch wenn sie nichts davon weiß. Und das formt ihr Leben, selbst hier! Sie konnte gar nicht anders als mit dem Fuß klopfen! Das Land klopft zum Tanz der Jahreszeiten mit dem Fuß!« »Aber sie...«, begann Fräulein Tick, denn kein Lehrer hört gern lange zu.
»Was ist in jenem Moment geschehen?«, fuhr Oma Wetterwachs fort, ohne sich beirren zu lassen. »Sommer, Winter und Tiffany. Einen Moment lang haben sie miteinander getanzt. Und dann haben sie sich wieder getrennt. Wer weiß, was dabei durcheinander geraten ist! Plötzlich verhält sich der Winterschmied so dumm, als wäre er beinahe... menschlich?«
»Was hat sie da nur angestellt?«, fragte Fräulein Tick.
»Der Tanz, Fräulein Tick. Der Tanz geht nie zu Ende. Und sie kann die Schritte nicht ändern, noch nicht. Für eine Weile muss sie nach seiner Pfeife tanzen.«
»Sie wird in große Gefahr geraten«, sagte Fräulein Tick.
»Sie hat die Kraft der Hügel«, erwiderte Oma Wetterwachs.
»Aber es sind weiche Hügel«, gab Fräulein Tick zu bedenken. »Leicht abzutragen.«
»Doch das Herz des Kreidelands besteht aus Feuerstein, denk daran. Schärfer als jedes Messer.«
»Schnee kann die Hügel bedecken«, sagte Fräulein Tick.
»Nicht für immer.«
»Einmal ist das geschehen«, sagte Fräulein Tick, die die Spielchen satt hatte. »Es hat Jahrtausende gedauert. Eine Eiszeit. Große Tiere wälzten sich damals auf der ganzen Welt niesend im Schnee.«
»Mag sein«, erwiderte Oma Wetterwachs mit einem Glitzern in den Augen. »Ich war damals nicht dabei, denn so alt bin ich nicht. Nun, wir müssen das Mädchen im Auge behalten.«
Fräulein Tick nippte an ihrem Tee. Bei Oma Wetterwachs zu wohnen konnte eine echte Herausforderung sein. Der Hühnchentopf am vergangenen Abend war nicht für sie bestimmt gewesen, sondern für Du. Das Essen der Hexen hatte aus Erbsenbrei und Schinkensuppe ohne - und dies war wichtig - Schinken bestanden. Oma Wetterwachs besaß einen großen, fetten Schinken an einer Schnur. Den hatte sie in die Suppe gehängt, wieder herausgeholt, abgetrocknet und für ein andermal beiseite gelegt. Trotz ihres Hungers war Fräulein Tick beeindruckt. Oma Wetterwachs war ein Muster an Sparsamkeit.
»Wie ich hörte, hat Fräulein Verrat ihren Ruf vernommen«, sagte sie.
»Ja«, bestätigte Oma Wetterwachs. »Die Trauerfeier findet morgen statt.«
»Fräulein Verrat hat sich sehr lange Zeit um die Dorfbewohner gekümmert. Die neue Hexe erwartet eine schwierige Aufgabe«, sagte Fräulein Tick.
»Es wird schwer sein, Fräulein Verrats ... Schau fortzusetzen«, sagte Oma Wetterwachs.
»Die Schau?«, fragte Fräulein Tick.
»Ich meine natürlich ihr Werk«, sagte Oma Wetterwachs.
»Wen gedenkst du an ihre Stelle zu setzen?«, fragte Fräulein Tick, denn sie erfuhr Neuigkeiten gern als Erste. Sie sagte »gedenkst du«, weil sie der Ansicht war, dass es gebildeter klang als ein schlichtes »willst du«.
»Die Entscheidung liegt nicht bei mir, Fräulein Tick«, sagte Oma Wetterwachs scharf. »Es gibt kein Hexenoberhaupt, wie du weißt.«
»Oh, natürlich«, erwiderte Fräulein Tick, die auch wusste: Das Oberhaupt, das die Hexen nicht hatten, war Oma Wetterwachs. »Frau Ohrwurm schlägt bestimmt die junge Annagramma vor, und Frau
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