Der Winterschmied
Verwandten. Es war ganz schön gewesen, einmal aus dem Schloss herauszukommen, und er hatte das Pferd in Herrn Geimligs Stall unterstellen können, wo die Tanten nie danach suchen würden. Ja... Tiffany würde sich freuen, von der Party zu lesen.
Die Tanten brüllten schon wieder etwas durch die Tür. Sie hatten die Tür von Vaters Zimmer verriegelt. Und sie verrammelten den Geheimgang. Das bedeutete, dass ihm nur noch der lose Stein hinter dem Wandteppich im Nebenzimmer blieb, außerdem die lockere Steinplatte, die es ihm ermöglichte, ins Zimmer darunter zu gelangen, und natürlich die Kette am Fenster, an der er bis zum Boden hinabklettern konnte. Und auf dem Schreibtisch, auf General Taktikus' Buch, lagen nagelneue Schlüssel für alle Türen des Schlosses. Er hatte sie von Herrn Geimlig anfertigen lassen. Der Schmied war ein sehr umsichtiger Mann und wusste, wie vorteilhaft es sein konnte, den nächsten Baron zum Freund zu haben.
Roland konnte nach Belieben kommen und gehen, was auch immer die Tanten dagegen unternahmen. Sollten Danuta und Araminta seinen Vater schikanieren und herumschreien, so viel sie wollten - ihn würden sie nicht unter ihre Fuchtel kriegen.
Aus Büchern konnte man viel lernen.
Der Winterschmied lernte. Es ging nur schwer und langsam voran, wenn man auf ein Gehirn aus Eis zurückgreifen musste. Aber er wusste jetzt über die Schneemänner Be scheid. Die kleineren Menschen bauten sie. Das war interessant. Abgesehen von den Frauen mit den spitzen Hüten schienen ihn die größeren Menschen nicht zu hören. Sie wussten, dass keine unsichtbaren Geschöpfe aus der Luft zu ihnen sprachen.
Die kleinen Menschen hingegen hatten noch nicht herausgefunden, was unmöglich war.
In der großen Stadt stand ein großer Schneemann.
Es wäre angebrachter gewesen, ihn Schneematschmann zu nennen. Eigentlich war es Schnee, aber wenn er durch
die dichten Nebelschwaden der Stadt gefallen war, durch Smog und Rauch, hatte sich das Weiß in ein gelbliches Grau verwandelt, und auf dem Pflaster landete schließlich vor allem das, was von Wagenrädern aus dem Rinnstein geschleudert worden war. Man konnte bestenfalls von einem Fast-Schneemann sprechen. Aber drei schmuddelige Kinder bauten ihn trotzdem, denn im Winter baut man eben etwas, das man als Schneemann bezeichnen kann. Selbst wenn er gelb ist.
Sie hatten sich alle Mühe gegeben, etwas Passendes dafür aufzutreiben, und dem Schneemann als Augen zwei Pferdeäpfel''! und als Nase eine tote Ratte gegeben.
Und dann sprach der Winterschmied in ihren Köpfen zu ihnen.
Kleine Menschen, warum macht ihr das?
Der Junge, der wohl der älteste Junge war, sah das Mädchen an, das wohl das älteste Mädchen war. »Ich verrate dir, dass ich das gehört habe, wenn du sagst, dass du es ebenfalls gehört hast«, sagte er.
Das Mädchen war noch klein genug, um nicht »Schneemänner können nicht sprechen« zu denken, obwohl es gerade von einem angesprochen worden war, und deshalb sagte es: »Man klebt das dran, damit ein Schneemann daraus wird.«
Macht mich das zu einem Menschen?
»Nein, weil...« Das Mädchen zögerte.
»Du hast keine Eingeweide«, sagte das dritte und kleinste Kind, das entweder der jüngste Junge oder das jüngste Mädchen sein konnte. Das ließ sich kaum feststellen, denn es trug so viele Kleidungsschichten, dass es kugelrund war. Es hatte zwar eine rosarote Pudelmütze mit einem Bommel dran auf, aber das musste nichts heißen. Offenbar gab es jemanden, der gut für das Kind sorgte, denn die Fäustlinge waren mit einem aufgestickten »R« und »L« gekennzeichnet. Ein »V« und ein »H« zierten die Vorder- beziehungsweise Hinterseite des Mantels, ein »O« den Bommel der Mütze und vermutlich ein »U« die Unterseite der Gummistiefel. Es bedeutete: Man wusste zwar nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, aber man konnte erkennen, dass der richtige Teil des Kinds nach oben zeigte und in welche Richtung es blickte.
Ein Wagen rollte vorbei, und die Räder wühlten eine weitere Woge Schneematsch auf.
Eingeweide ?, fragte die geheimnisvolle Stimme des Schneemanns. Aus speziellem Staub, ja! Aber was für ein Staub?
»Eisen«, antwortete der vermutlich älteste Junge sofort. »Genug Eisen für einen Nagel.«
»Ach ja, stimmt, so geht das«, sagte das vermutlich älteste Mädchen. »Wir haben danach Hüpfspiele gemacht. Ah... >Genug Eisen für einen Nagel, genug Wasser, um eine Kuh zu ertränken...<«
»Einen Hund«, warf der vermutlich
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