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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nicht mehr so hoch. Es hing viel Schnee in den Bäumen, und die Luft war voller kalter blauer Schatten.
    »Wonach suchen wir?«, fragte Tiffany.
    Oma Wetterwachs deutete nach vorn.
    Etwas Grünes leuchtete im Weiß und Grau: die jungen Blätter eines knapp einen Meter hohen Eichenschößlings. Als Tiffany durch die Schneekruste stapfte und die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, fühlte sich die Luft warm an.
    »Weißt du, wie du das hingekriegt hast?«, fragte Oma.
    »Nein!«
    »Ich auch nicht. Ich könnte das nicht. Du schon. Dies ist dein Werk, Tiffany Weh.«
    »Es ist nur ein einziger Baum«, sagte Tiffany.
    »Nun, bei Eichen muss man klein anfangen.«
    Einige Sekunden lang betrachteten sie den Baum stumm. Das Grün schien vom Schnee darum herum zurückgeworfen zu werden. Der Winter stahl Farben, aber die kleine Eiche leuchtete.
    »Und jetzt haben wir alle zu tun«, brach Oma den Bann. »Um diese Zeit würdest du dich normalerweise zu Fräulein Verrats Hütte auf den Weg machen. Nichts weniger erwarte ich von dir...«
    Es gab ein Gasthaus, an dem die Kutschen immer Halt machten. Selbst um diese Zeit am Morgen herrschte dort reger Betrieb. Die schnelle Postkutsche hatte dort vor der langen  Fahrt in die Berge die Pferde gewechselt, und eine andere, unterwegs in die Ebene, wartete auf ihre Passagiere. Der Atem der Pferde erfüllte die Luft mit Dampf. Kutscher stampften mit den Füßen. Säcke und Bündel wurden verstaut. Männer hantierten mit Futterbeuteln. Einige krummbeinige Burschen hingen nur herum, rauchten und quatschten. In fünfzehn Minuten würde der Hof des Gasthauses wieder leer sein, aber momentan hatten alle so viel zu tun, dass sie nicht auf einen weiteren Fremden achteten.
    Nachher erzählten sie alle unterschiedliche Geschichten, wobei sie sich lautstark widersprachen. Der genaueste Bericht stammte vermutlich von Fräulein Dymphnia Stoot, der Tochter des Wirts, die ihrem Vater beim Servieren des Frühstücks half.
    »Nun, er kam herein, tja, und ich fand ihn sofort irgendwie seltsam. Er ging so komisch, hob die Beine wie ein trabendes Pferd. Tja, und er glänzte irgendwie. Aber es kommen alle möglichen Leute zu uns, na ja, und man hat nichts davon, wenn man indiskrete Bemerkungen macht. Letzte Woche hatten wir eine Gruppe Werwölfe hier, und das waren Leute wie du und ich, außer dass wir ihnen die Teller auf den Boden stellen mussten... Nun gut, also, dieser Mann... Tja, er setzte sich an einen Tisch und sagte: >Ich bin ein Mensch wie ihr!< Das hat er gesagt, einfach so!
    Natürlich achtete sonst niemand auf ihn, aber ich erwiderte, freut mich, das zu hören, und fragte ihn, was er essen wollte. Ich sagte, die Würstchen sind besonders gut an diesem Morgen, und er sagte, er kann nur Kaltes essen, was mich wunderte, denn alle anderen klagten darüber, wie kalt es plötzlich im Raum geworden war, trotz des großen Feuers im Kamin. Nun, wir hatten noch kalte Würstchen in der Speisekammer, aber sie waren nicht mehr ganz frisch, wenn  ihr versteht, was ich meine, tja, also gab ich sie ihm, und er knabberte ein bisschen an einem und fragte dann mit vollem Mund: >Dies habe ich nicht erwartet. Was soll ich jetzt machen ?< Und ich antwortete: >Wie war's mit Schlucken ?< Und er fragte: >Schlucken?< Und ich sagte: >Ja, man schluckt es in den Magen hinunter.< Und er sagte: >Ach, in das hohle Ding!<, und dabei spritzte ihm das halbe Würstchen aus dem Mund. Und dann zögerte er kurz und sagte dann: >Ah, ich bin ein Mensch, es ist mir mit Erfolg gelungen, Menschenwürstchen zu essen!< Und ich sagte, das geht zu weit, die Würstchen bestehen zum größten Teil aus Schweinefleisch, wie immer.
    Dann fragt er, was er mit den heruntergeschluckten Würstchen machen soll, und ich antworte, dass es mir nicht ansteht, ihm das zu sagen, und das macht zwei Cent, bitteschön, und er legt eine Goldmünze auf den Tisch, und ich mache einen Knicks, weil, tja, man weiß ja nie. Dann sagt er: >Ich bin ein Mensch wie du. Wo sind die spitzen Menschen, die durch die Luft fliegen?< Ich fand das komisch ausgedrückt und sagte ihm, wenn er Hexen sucht, so soll er über die Lancre-Brücke gehen, dort gibt es jede Menge von ihnen, und er sagte: >Name Verrat ?< Und ich sagte, ich hätte gehört, dass sie tot ist, aber bei Hexen kann man ja nie ganz sicher sein. Und dann ging er. Die ganze Zeit über hatte er dieses, tja, Lächeln, glänzend und irgendwie beunruhigend. Auch mit seiner Kleidung stimmte was nicht, schien an ihm

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