Der Winterschmied
hätten sie jetzt gezittert.
Dies war das letzte Ding! Er hatte so viel lernen müssen! Es war so schwer gewesen, so schwer! Wer hätte gedacht, dass ein Mensch aus Zeug wie Kalk, Ruß, Gasen, Giften und Metallen bestand? Doch jetzt bildete sich Eis unter dem rostigen Nagel, und das Holz knarrte und knirschte, als die Eisschicht wuchs und den Nagel hinaustrieb.
Er drehte sich sanft in der Luft, und die Stimme des Winterschmieds erklang im Wind, der die Baumwipfel gefrieren ließ: »GENUG EISEN, UM EINEN MENSCHEN ZU MACHEN!«
Hoch oben in den Bergen explodierte der Schnee. Er türmte sich auf, als spielten Delfine darunter. Formen bildeten sich und verschwanden wieder...
So plötzlich, wie der Schnee in Bewegung geraten war, kam er auch wieder zur Ruhe. Doch jetzt stand da ein Pferd, weiß wie Schnee, und auf seinem Rücken saß ein Reiter, der wie Raureif glitzerte. Wenn der größte Bildhauer der Welt den Auftrag erhalten hätte, einen Schneemann zu bauen, so wäre dies das Ergebnis gewesen.
Irgendetwas ging immer noch vor sich. Die Umrisse von Pferd und Reiter blieben in Bewegung, und beide sahen immer lebensechter aus. Weitere Details bildeten sich heraus. Farben kamen hinzu, immer blass, nie leuchtend. Und dann standen ein Pferd und ein Reiter da und glänzten im trostlosen Licht der Mittwintersonne.
Der Winterschmied streckte die Hand aus und bewegte die Finger. Farbe ist schließlich nur eine Frage der Reflexion; und die Finger nahmen die Farbe von Haut an.
Der Winterschmied sprach. Das heißt, es erklangen unterschiedliche Geräusche, vom Heulen eines Sturms bis zum Schnalzen der abfließenden Brandung an einem Kiesstrand nach einem furchtbaren Unwetter auf See. Irgendwo dazwischen gab es einen Ton, der ihm richtig erschien. Der Winterschmied wiederholte ihn, drehte und streckte ihn, machte ihn zu gesprochenen Worten und spielte damit, bis sie sich richtig anhörten.
Er sagte: »Tasbnlerizwip ? Ggokyziofwa? Wiswip? Nananana... Nyip... nap... Ah... Ah! So wird gesprochen!« Der Winterschmied warf den Kopf in den Nacken und sang die Ouvertüre zu »Überwaldwinter« von Wotua Doinow. Er hatte sie einmal gehört, als er fauchende Sturmböen über das Dach eines Opernhauses getrieben hatte, und war erstaunt gewesen festzustellen, dass ein menschliches Wesen - eigentlich nicht mehr als ein Beutel mit schmutzigem Wasser auf zwei Beinen - ein so wundervolles Verständnis für Schnee entwickeln konnte.
»CHOBA riOXOJlO/lAJlO!«, sang er zum kalten Himmel empor.
Während das Pferd ihn durch den Kiefernwald trug, machte der Winterschmied dennoch einen kleinen Fehler: Er sang nicht nur die Stimmen, sondern auch die Instrumente. Er sang einfach alles und ritt wie ein reisendes Orchester einher, indem er die Geräusche der Sänger, der Trommeln und des restlichen Orchesters gleichzeitig erzeugte.
Die Bäume zu riechen! Die Anziehungskraft des Bodens zu spüren! Fest zu sein! Die Dunkelheit hinter den Augen zu fühlen und zu wissen, dass man es selbst war! Als Mensch zu existieren, als Mann, und sich dessen bewusst zu sein!
So etwas hatte er nie zuvor empfunden. Es war überwältigend. Es gab so viel von... allem, und es strömte aus allen Richtungen auf ihn ein. Zum Beispiel der Erdboden. Er zog ihn die ganze Zeit zu sich. Aufrecht zu stehen erforderte große Konzentration. Und die Vögel! Der Winterschmied hatte sie immer nur für Unreinheiten in der Luft gehalten, die den Ablauf des Wetters störten, aber jetzt waren es Lebewesen, genau wie er. Und sie spielten mit dem Sog des Erdbodens und dem Wind, und sie beherrschten den Himmel.
Der Winterschmied hatte nie zuvor gesehen, nie zuvor gefühlt und nie zuvor gehört. So etwas konnte man nur, wenn man... für sich war, in der Dunkelheit hinter den Augen. Vorher war er nicht für sich gewesen, sondern ein Teil von etwas, Teil des ganzen Universums aus Sog und Druck, Geräuschen und Licht, Fließen und Tanzen. Er hatte eine Ewigkeit lang Stürme gegen Berge geschickt, aber bis heute nicht gewusst, was Berge waren.
Die Dunkelheit hinter den Augen... was für eine Kostbarkeit. Sie gab einem das Gefühl... ein Ich zu haben. Die Hand mit diesen lächerlichen schlackrigen Dingern dran ließ einen Dinge berühren. Durch die Löcher auf beiden Seiten des Kopfes kamen Geräusche herein, und die Löcher vorn ließen die wunderbaren Gerüche in den Kopf. Diese Löcher schienen genau zu wissen, worauf es ankam - wie schlau von ihnen! Erstaunlich! Wenn man
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