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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hochgehoben.
    Dann kehrte Oma Wetterwachs in den Wald zurück, ohne Fußspuren zu hinterlassen. Man brachte den anderen nicht alles bei, was man wusste.
    Tage vergingen. Annagramma lernte, aber es ging nur mühsam voran. Es ist nicht einfach, eine Person zu unterrichten,  die nicht zugeben will, dass sie irgendetwas nicht weiß. Deshalb kam es zu Gesprächen wie:
    »Du weißt doch, wie man Placebo-Wurzeln zubereitet, nicht wahr?«
    »Natürlich. Das weiß doch jeder.« Doch dann sagte man nicht: »Na schön, dann zeig's mir«, denn dann hätte Annagramma eine Zeit lang herumgewerkelt und schließlich behauptet, Kopfschmerzen zu haben. Stattdessen sagte man: »Gut, dann sieh mir zu und sag mir, ob ich alles richtig mache.« Und dann führte man es ihr fehlerfrei vor und warf Bemerkungen ein wie: »Du weißt ja, dass man nach Meinung von Oma Wetterwachs für diesen Zweck praktisch jedes Mittel nehmen kann, aber es ist besser, die echte Placebo-Wurzel zu benutzen, wenn man sie kriegen kann. In Sirup zubereitet lassen sich mit der Placebo-Wurzel leichte Erkrankungen erstaunlich gut behandeln, aber das weißt du natürlich alles.«
    Und Annagramma erwiderte dann: »Natürlich.«
    Eine Woche später war es im Wald so kalt, dass ein paar alte Bäume in der Nacht explodierten. Das hatte es schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gegeben, sagten die Alten. Es geschah, wenn der Saft gefror und sich dann auszudehnen versuchte.
    Annagramma war so eitel wie ein Kanarienvogel in einem Zimmer voller Spiegel und geriet sofort in Panik, wenn sie mit etwas konfrontiert wurde, das sie nicht kannte. Aber sie lernte schnell und konnte sich sehr gut den Anschein geben, mehr zu wissen, als tatsächlich der Fall war, was für jede Hexe eine wertvolle Fähigkeit war. Einmal bemerkte Tiffany den aufgeschlagenen Boffo-Katalog auf dem Tisch, und darum herum standen ein paar Gegenstände. Sie stellte keine Fragen. Dafür war sie zu beschäftigt.
    Eine Woche später froren die Brunnen zu.
    Einige Male machte Tiffany zusammen mit Annagramma Touren durch die Dörfer, und danach wusste sie, dass sie es irgendwann schaffen würde. Annagramma war Boffo praktisch angeboren. Sie war groß und arrogant und tat so, als hätte sie die Weisheit mit Löffeln gefressen, auch dann, wenn sie überhaupt keine Ahnung hatte. Damit würde sie es weit bringen. Die Leute hörten auf sie.
    Es blieb ihnen auch nichts anderes übrig. Alle Straßen waren zugeschneit; zwischen den Häusern hatten die Leute Tunnel voll von kaltem blauen Licht gegraben. Was irgendwohin transportiert werden musste, reiste per Besen. Dazu gehörten auch die Alten. Sie wurden abgeholt und zu anderen Häusern geflogen. Die Menschen drängten sich zusammen, um es ein wenig wärmer zu haben. Und sie erinnerten sich gegenseitig daran, dass es, so kalt es jetzt auch sein mochte, in ihrer Jugend noch viel kälter gewesen war.
    Nach einer Weile hörten sie damit auf.
    Manchmal taute es ein kleines bisschen, und dann gefror wieder alles. Daher war jedes Dach mit Eiszapfen gesäumt, und beim nächsten Tauwetter bohrten sie sich wie Dolche in den Boden.
    Tiffany schlief nicht; zumindest ging sie nicht zu Bett. Alle Hexen blieben auf den Beinen. Der Schnee wurde zu steinhartem Eis festgetrampelt, damit Karren darauf rollen konnten, aber es gab nicht genug Hexen für die vielen nötigen Besuche, und der Tag hatte nicht genug Stunden. Es gab nicht einmal genug Stunden, wenn man den Tag und die Nacht zusammennahm. Petulia schlief einmal auf ihrem Besen ein und landete zwei Meilen entfernt
    in einem Baum. Ein anderes Mal rutschte Tiffany von ihrem herunter und fiel in eine Schneewehe.
    Wölfe schlichen sich in die Tunnel. Sie waren schwach vor Hunger und verzweifelt. Oma Wetterwachs vertrieb sie und verriet niemandem, wie sie es gemacht hatte.
    Die Kälte fühlte sich an, als würde man rund um die Uhr mit Fäusten verprügelt. Überall auf dem Schnee lagen wie dunkle Punkte tote Vögel, die im Flug erfroren waren. Andere Vögel fanden die Tunnel und erfüllten sie mit ihrem Gezwitscher, und die Leute fütterten sie mit Speiseresten, denn sie brachten der Welt die falsche Hoffnung auf Frühling...
    ... denn es gab zu essen. Oh, ja, es gab zu essen. Das Füllhorn arbeitete Tag und Nacht.
    Und Tiffany dachte: Ich hätte die Schneeflocken lieber ablehnen sollen...
    Irgendwo stand eine alte, verlassene Hütte. In ihren verwitterten Brettern steckte ein Nagel. Wenn der Winterschmied Finger gehabt hätte, so

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