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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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der zweiten Gruppe mehr Tierbilder auftraten als in der ersten. [566]
    Sogar bei Experimenten mit Tieren können die Erwartungen der Experimentatoren die Ergebnisse beeinflussen. Auch dazu gibt es ein klassisches Experiment mit Ratten in einem Standardlabyrinth, durchgeführt an der Harvard University von Robert Rosenthal und seinen Kollegen. Die beteiligten Studenten erhielten die Anweisung, zwei durch selektive Züchtung über mehrere Generationen erzeugte Stämme von Ratten in ihrer Leistung im Labyrinth zu vergleichen. Die Information war allerdings falsch. Tatsächlich stammten die Ratten alle aus ein und derselben Zuchtreihe normaler Laborratten, nur hatte man sie nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen unterteilt, die als »labyrinthschlau« und »labyrinthdumm« bezeichnet wurden.
    Die Studenten verließen sich natürlich auf die Angaben und erwarteten, dass die schlauen Ratten besser abschneiden würden, und tatsächlich stellten sie fest, dass die sogenannten schlauen Ratten viel schneller lernten als die sogenannten dummen. [567] Da die Ratten in dieser Hinsicht mehr oder weniger identisch waren, muss der frappierende Unterschied etwas mit den Erwartungen der Studenten zu tun gehabt haben.
    Während jedoch der Experimentator-Erwartungs-Effekt in der psychologischen und medizinischen Forschung bekannt ist und berücksichtigt wird, geht man in den »harten« Wissenschaften generell davon aus, dass er keine Rolle spielt. Hier unterstellen die Wissenschaftler, dass ihre Erwartungen keinen Einfluss auf ihre Experimente und die Datenerfassung haben.
    In den Jahren 1996 bis 1998 habe ich über 1500 in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichte Arbeiten auf die Anwendung von Blindverfahren hin untersucht. Caroline Watt und Marleen Nagtegaal haben diese Erhebung später bei einer anderen Auswahl von Zeitschriften wiederholt (Tabelle 1 ).

    Tabelle 1 : Vergleich der Prozentanteile von wissenschaftlichen Arbeiten mit Blindmethodik auf verschiedenen Wissenschaftsgebieten in zwei unabhängigen Erhebungen, nämlich Sheldrake 1999 c und Watt und Nagtegaal 2004 .

    Forschungsgebiet
Blindanteil 1999
Blindanteil 2004
(%) [568]
(%) [569]
Physikalische Wissenschaften
0
0,5
Biowissenschaften
0,8
2,4
Tierverhalten
2,8
9,3
Psychologie
7,0
22,5
Medizinwissenschaften
24,2
36,8
Parapsychologie
85,2
79,1

    Watt und Nagtegaal fanden auf den meisten Gebieten einen höheren Prozentsatz an Blind-Methodik als ich, nur bei der Parapsychologie lag ihr Wert ein wenig niedriger. Beide Erhebungen zeigen jedoch, dass der Anteil an Forschungen mit Blindmethodik auf dem Gebiet der physikalischen Wissenschaften extrem gering und auch in den Biowissenschaften sehr gering ist, weniger als 2 , 5 Prozent. Sogar auf dem Gebiet der experimentellen Psychologie, der Tierverhaltensforschung und der Medizinwissenschaften, wo der Experimentatoreffekt bekannt und anerkannt ist, wurden Blindmethoden nur bei einer Minderheit der Studien angewandt. Mit Abstand am größten ist der Anteil in der Parapsychologie.
    Ich organisierte außerdem eine telefonische Umfrage unter Forschungsleitern an fünfundfünfzig Instituten in elf britischen Universitäten, darunter Oxford, Cambridge, Edinburgh und dem Imperial College in London. Meine Forschungsassistentin Jane Turney führte die Telefoninterviews durch. Sie fragte die Professoren und anderen leitenden Wissenschaftler, ob irgendjemand in ihren Instituten mit Blindmethoden arbeitete und ob die Studenten in solche Methoden eingeführt würden.
    Einige der angesprochenen Wissenschaftler wussten mit dem Begriff »Blindmethoden« nichts anzufangen. Die meisten kannten den Begriff zwar, sagten aber, Blindmethoden seien nur in der klinischen Forschung oder Psychologie notwendig. Sie meinten, solche Methoden würden dort angewandt, um Verfälschungen durch die
Probanden
auszuschließen. Am häufigsten wurde von Vertretern der physikalischen und der Biowissenschaften vorgebracht, Blindmethoden seien unnötig, weil »die Natur selbst blind« sei. Ein Chemieprofessor fügte hinzu: »Naturwissenschaft ist so schon schwierig genug, auch ohne die zusätzliche Erschwernis, nicht einmal zu wissen, woran man arbeitet.«
    Unter dreiundzwanzig Physik- und Chemie-Instituten fand sich nur eins, in dem Blindmethoden angewandt und auch den Studenten vermittelt wurden. Zwölf von zweiundvierzig biologischen Instituten ( 29 Prozent) setzten gelegentlich Blindmethoden ein und unterrichteten auch die Studenten entsprechend.

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