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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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[570] Nur in ganz seltenen Fällen wurden Blindtechniken routinemäßig angewandt. In meiner Erhebung gab es nur drei Beispiele, und da ging es jedes Mal um Industrieaufträge, bei denen kodierte Proben beurteilt werden mussten, ohne dass ihre Zuordnung bekannt war. [571]

Experimentelle Tests zum Experimentatoreffekt
    Dass Blindtechniken auf den meisten Forschungsgebieten unnötig sind, ist eine so durchgängige Annahme, dass man sie einfach hinterfragen muss. [572] In jeder experimentell arbeitenden Wissenschaft können wir fragen: Können die Erwartungen der Experimentatoren wie »sich selbst erfüllende Prophezeiungen« wirken, indem sie eine bewusste oder unbewusste Voreingenommenheit erzeugen, was das Sammeln, die Analyse und die Interpretation der Daten angeht?
    Dazu könnte man ganz einfach Experimente an Experimenten vornehmen. Nehmen wir irgendein typisches Experiment mit einer zu testenden Probe und einer Kontrollprobe, etwa den biochemischen Vergleich eines »gehemmten« (das heißt mit einem Hemmstoff versetzten) Enzyms mit einem ungehemmten. Zuerst wird das Experiment wie gewohnt durchgeführt: Der Experimentator weiß bei beiden Proben, um was es sich handelt. Zusätzlich wird das Experiment unter Blindbedingungen gemacht, eine Probe heißt A, die andere B. Bei einem studentischen Praktikum beispielsweise könnte eine Hälfte des Kurses das Experiment blind machen, während die andere Hälfte die Identität der Proben kennt. Stellen sich dann keine signifikanten Unterschiede der Resultate ein, kann man davon ausgehen, dass Blindverfahren in diesem Fall nicht notwendig sind. Signifikante Unterschiede würden dagegen auf das Vorhandensein eines Experimentatoreffekts hindeuten. Mit weiteren Forschungen könnte man dann die Wirkungsweise solcher Effekte ermitteln.
    Solche Experimente verursachen keine zusätzlichen Kosten, man braucht die Proben einfach nur anders auszuzeichnen. In Laborkursen an Schulen und Universitäten ließen sie sich leicht durchführen. Als ich dieses simple Verfahren erstmals vorschlug, [573] bildete ich mir in meiner Naivität ein, dass Skeptiker, die ja gern auf die Objektivität der Naturwissenschaft pochen, an dieser Frage besonders interessiert sein würden. Ich veröffentlichte deshalb Aufrufe im
Skeptical Inquirer
[574] und in
Skeptic
[575] und forderte alle an Universitäten Arbeitenden zur Beteiligung an diesen Forschungen auf. Das Echo blieb aus. Richard Wiseman, der selbst ein Skeptiker ist, veröffentlichte zusammen mit Caroline Watt einen weiteren Aufruf im
Skeptical Inquirer,
doch auch hier blieb die Reaktion weitgehend aus. [576]
    Einmal glaubte ich schon, es werde doch noch gelingen, diesen Test durchzuführen. Ein Physiklehrer einer der führenden britischen Schulen erklärte sich bereit zu einem Versuch mit einer Abschlussklasse. Er musste dazu allerdings die Genehmigung des Fachleiters Naturwissenschaft einholen, der mich zu einem Gespräch bat, damit ich ihm mein Vorhaben erläutern konnte. Seine Reaktion war höchst aufschlussreich. Er sagte: »Selbstverständlich werden sich die Erwartungen der Schüler als Einfluss bemerkbar machen. Sie werden zum richtigen Ergebnis kommen wollen, wie könnte es im naturwissenschaftlichen Unterricht anders sein? Dieses Experiment wäre der Einstieg in eine ausgesprochen heikle Angelegenheit, und so etwas muss ich nicht ausgerechnet an meiner Schule haben.«
    Diese direkte und ehrliche Antwort war mir eine große Hilfe. Mir wurde klar, dass alle Berufswissenschaftler in ihren Laborkursen auf der Schule und an der Universität über Jahre dazu erzogen worden sind, zu den erwarteten Resultaten zu kommen.
    Über einen Zeitraum von zehn Jahren habe ich an der Cambridge University Laborkurse in Zellbiologie und Biochemie und ein weiteres Jahr an der Harvard University über Grundlagen der Biologie geleitet, in denen die Studenten Standardexperimente machten, deren zu erwartende Ergebnisse wohlbekannt waren. Es gab jedoch immer ein paar Studenten, die nicht zu den »richtigen« Ergebnissen kamen. Jeder nahm an, dass sie einfach Fehler gemacht hatten. Es gab Studenten, die des Öfteren nicht zu den gewünschten Ergebnissen kamen. Ich vermute, dass sie auch keine guten Abschlüsse gemacht und wahrscheinlich keine Laufbahn in der wissenschaftlichen Forschung eingeschlagen haben. Berufswissenschaftler werden die, denen es über Jahre der praktischen Laborausbildung hinweg zuverlässig gelingt, zu den korrekten Resultaten zu

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