Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
Vom Netzwerk:
den Dienst der Gesellschaft getreten. Der Kalender war es, der gegen mich sprach.
    Andererseits, so sagte ich mir, war ich in der günstigen Situation, daß Defoe augenfälliges Interesse an mir zeigte. Mit seinem Rat und seiner Hilfe würde es vielleicht einfacher sein.
    Das waren meine Gedanken – bis ich mir Einhalt gebot. Ich dachte in Begriffen des persönlichen Vorteils. Und so etwas gab es nicht in der Gesellschaft! Während meiner Ausbildung hatte ich viel gelernt, unter anderem, daß die persönliche Karriere nur von den eigenen Verdiensten und Vorzügen abhängig war.
    Das mußte so sein, da sich die Gesellschaft sonst in eine tödliche, sich selbst erhaltende Oligarchie verwandelt hätte.
    Erschüttert saß ich in meinem schäbigen kleinen Hotelzimmer, das beste, das mir die Stadt Anzio zu bieten hatte, und öffnete mein kleines Handbuch, blätterte die sauber gedruckten Seiten mit den statistischen Tabellen durch und kam zum Vorwort mit den Worten des Aufsichtsratsvorsitzenden Millen Carmody. Dies waren die Worte, die man traditionsgemäß mir und den anderen bei unserer Graduierung verlesen hatte:
     
    Vergiß nie, daß die Gesellschaft der Menschheit dient, nicht umgekehrt, Aufgabe der Gesellschaft ist die Welt, ist der Dienst an der Welt. Die Gesellschaft kann Krieg, Elend und Verwüstung für immer bannen, sie darf diese aber nicht durch ihre Tyrannei ersetzen. Korruption gebiert Tyrannen. Für Korruption ist in der Gesellschaft kein Platz.
     
    Das waren wunderbare Worte. Ich las sie noch einmal und betrachtete das Bild von Aufsichtsrat Carmody, das das Frontispiz meines Handbuchs bildete. Es war ein Gesicht, das Vertrauen einflößte: weise und menschlich, ernst, aber mit Wärme in den weitoffenen Augen.
    Millen Carmody war ein Mann, an dem man, wegen seiner hervorragenden Fähigkeiten, nicht zweifeln konnte. Solange Männer wie er die Gesellschaft führten – und er war der Boß von allen, der Aufsichtsratsvorsitzende, der Mann in der höchsten Position, die die Gesellschaft zu vergeben hatte –, tauchte die Frage nach Günstlingswirtschaft oder Korruption gar nicht erst auf.
     
    Ich aß, wusch und rasierte mich und kehrte anschließend wieder zur Klinik zurück.
    Dort lag Ärger in der Luft, gar keine Frage. Um den Eingang herum waren erheblich mehr Expedienten zusammengezogen worden, und Wagen ohne die Insignien der Gesellschaft, aber mit Scheiben aus Panzerglas, die so dick waren, daß sie gelblich schimmerten, standen an den Ecken. Überall waren Menschen -Menschen, die sich ruhig verhielten, viel zu ruhig. Einige Frauen waren auch da, aber viel weniger als Männer, und Kinder waren überhaupt nicht zu sehen. Die Expedienten standen inzwischen in vorsichtigem Abstand von den Menschengruppen. Als ich die Klinik betrat, vermeinte ich das Stechen ihrer Blicke zu spüren.
    Drinnen war die Lage noch gespannter. Rein äußerlich betrachtet, sah es jetzt normaler aus als zuvor: Der Warteraum war überfüllt, und ein gutes Dutzend schwitzender Angestellter befragte nun lange Reihen von Wartenden. Aber hier wie draußen stimmte etwas nicht; die Gruppen machten nicht genug Lärm, es fehlte der übliche nervöse Trubel.
    Dr. Lawton sah besorgt aus. Er begrüßte mich und führte mich in einen kleinen Raum in der Nähe der Aufzüge. Dort lag, auf einem Rolltisch, ein Kokon aus milchigem Kunststoff, und durch das transparente Stück über dem Gesicht konnte man den wächsernen Körper von Luigi Zorchi erkennen. Seine Augen waren geschlossen. Er lag völlig still und bewegungslos da, und ich hätte ihn für tot gehalten, wäre mir nicht bekannt gewesen, daß er unter dem Einfluß der raffinierten schleichenden Drogen stand, die in den Gewölben zur Lebensverlangsamung eingesetzt wurden.
    »Soll ich ihn identifizieren oder so was?« fragte ich.
    Lawton stieß ein Schnaufen aus. »Wir wissen, wer er ist. Unterzeichnen Sie die Einweisung, das ist alles.« Ich unterschrieb das Formular, das sie mir überreichten, und bestätigte damit, daß Luigi Zorchi, Seriennummer soundso, seine zeitweilige Stillegung und Suspendierung erbeten und anstelle direkter medizinischer Behandlung erhalten hatte. Sie rollten das Krankenbett mit Zorchi in seinem Sack hinaus.
    »Sonst noch irgend etwas?« fragte ich.
    Lawton schüttelte verdrossen den Kopf. »Nichts, bei dem Sie uns helfen könnten«, antwortete er. »Ich habe Defoe gesagt, das es so kommen würde.«
    »Was?«
    Lawton starrte mich an. »Mann, sind Sie nicht gerade

Weitere Kostenlose Bücher