Der Wohlfahrtskonzern
irgend etwas mehr als einmal zu erklären …
Und so schob ein korrekt uniformierter Sanitäter, der zufälligerweise Benedetto dell’Angela war, ein Krankenbett mit dem scheinbar bewußtlosen Körper von Luigi Zorchi zum wartenden Wagen, während ich dem Expedienten an der Tür einen ordentlich ausgefüllten Passierschein vorwies. Ich fühlte, wie mein Herz hämmerte, als wir an dem Expedienten vorbeigingen. Ich hatte meinen Mantel über die Stelle geworfen, wo eigentlich »Barletterias« Beine sein sollten, und Benedettos alter Plastikkokon, in den wir Zorchi gezwängt hatten, bedeckte ihn zum größten Teil. Aber trotzdem …
Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Der Expedient war nicht mißtrauisch, er war nicht einmal interessiert.
Benedetto und ich hoben Zorchi in den Krankenwagen. Benedetto kletterte hinter ihm hinein und schloß die Türen, und ich ging nach vorn. »Sie sind überflüssig«, sagte ich zu dem Fahrer. »Ich werde fahren.« Und weg waren wir.
Sobald wir außer Sicht der Klinik waren, suchte ich ein Telefon, rief Rena im Hotel an und sagte ihr, daß sie vor dem Eingang auf mich warten solle. Fünf Minuten später saß sie neben mir, und wir fuhren auf der Straße nach Norden.
»Du hast gewonnen«, sagte ich zu ihr. »Dein Vater ist hinten … zusammen mit jemand anderem. Was jetzt? Versuchen wir uns einfach in den Bergen zu verstecken?«
»Nein, Tom«, sagte sie atemlos. »Ich … ich habe einige Vorbereitungen getroffen.« Sie kicherte. »Ich bin den Platz immer und immer wieder auf und ab gegangen, bis jemand auf mich stieß. Du machst dir keine Vorstellung, wieviel Herrenbekanntschaften ich vorher geschlossen habe. Aber dann kam einer meiner … Freunde, um zu sehen, ob es mir gutging, und ich habe es arrangiert. Wir fahren die Autobahn drei Kilometer in Richtung Rom, dort wartet ein Lastwagen auf uns.«
»Fein«, sagte ich und trat aufs Gaspedal. »Willst du jetzt nach hinten klettern und deinem Vater sagen …« Ich unterbrach mich mitten im Satz. Rena sah mich mit weit geöffneten Augen an. »Tom?« fragte sie besorgt. »Stimmt irgend etwas nicht?«
Ich schluckte und starrte der entschwindenden Limousine im Rückspiegel nach. »Ich … hoffe doch«, sagte ich. »Aber deine Freunde sollten unbedingt am verabredeten Ort sein, wir haben nämlich nicht mehr viel Zeit. Ich habe eben Defoe im Fond dieser Limousine gesehen.«
9
Rena streckte ihren Hals durch die Tür und spähte in das Mittelschiff der Kirche. »Er küßt jetzt die Bibel«, berichtete sie. »Es wird noch ungefähr zwanzig Minuten dauern.«
Ihr Vater sagte sanft: »Ich habe es nicht eilig. Es tut gut, sich hier auszuruhen. Obwohl ich wahrhaftig gedacht hätte, daß Ihre Gesellschaft mir schon genügend Ruhe verabreicht hat, Mr. Wills.«
Ich glaube, wir waren alle dankbar für den Aufenthalt. Die Fahrt von Anzio nach hier war aufreibend gewesen. Obwohl Renas »Freunde« bedachtsame Leute waren, hatten sie nicht vorausahnen können, daß wir einen beinlosen Mann mitbrachten. Sie hatten Pässe für Rena und mich und für Benedetto, für Zorchi hatten sie keinen. Er mußte sich unter einer schmutzigen Zeltplane im Kofferraum eines uralten Holzgasautos verstecken, während Rena die Zöllner an der schweizerischen Grenze becircte. Es war nicht ungefährlich, aber die Zöllner waren einfach zu umgarnen, und dann waren wir durch.
Zorchi wußte es nicht besonders zu schätzen. Er brach in einen Strom wilder Flüche aus, als wir im Schatten eines Olivenhains hielten und ihn wieder in einen der Sitze schleppten, und hörte nicht wieder auf zu fluchen, bis wir die Straße nach Appia erreichten. Wenn der alte Motor einen Hügel hinaufkeuchte, fluchte er über dessen Schneckentempo, und wenn wir das Gefalle der Serpentinen hinuntersausten, fluchte er darüber, daß er herumgestoßen wurde. Ich bereute nicht, daß ich ihn aus der Klinik gerettet hatte – das war nicht mehr als gerecht –, denn ich hatte schließlich dazu beigetragen, ihn zu übertölpeln. Aber ich wünschte mir doch, einer unterhaltsamen Persönlichkeit verpflichtet zu sein.
Benedetto andererseits schüttelte mir die Hand und sagte: »Bei Gatt, ich danke Ihnen«, und ich fühlte mich … entschädigt. Aber er saß auf dem Rücksitz und wurde von seiner Tochter auf den neuesten Stand der Ereignisse gebracht, wohingegen ich die Ehre von Zorchis Begleitung hatte …
Aus der Kirche erklang ein langer lateinischer Gesang, die Antwort des Meßjungen
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