Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
allein in seinem Arbeitszimmer saß oder von irgendeinem Versteck aus eine der drei Roten beobachtete, hatte er sich den Moment vorgestellt und sich zurechtgelegt, wie er reagieren würde. Und er war stolz darauf, wie geschickt er die Lügen in Grenzen gehalten hatte. Er hielt dies für eine wichtige Überlegung: Halte dich so weit wie möglich an die Wahrheit, damit die Lügen möglichst untergehen.
    Doch so zufrieden er damit war, die Situation dank seiner gründlichen Vorbereitung gut gemeistert zu haben, war er in Gedanken schon bei seinen nächsten Schritten. Ein Kapitel mit dem Titel
Überzeugendes Rollenspiel
merkte er sich vor.
Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Mord war eine gute Camouflage. Es war nicht sinnvoll, als Eigenbrötler irgendwo in der Einöde zu leben, so dass der erste Cop, der vorbeischaute und ein wenig herumschnüffelte, sofort witterte, dass man ein Verbrechen begangen hatte. Den besten Mördern sah man ihr Handwerk mit bloßem Auge nicht an.
Niemand würde je von ihm sagen: Dass mit dem was nicht stimmte, hat man gleich gemerkt. Nein. Über den Bösen Wolf würde es heißen: Wir hatten keine Ahnung, mit wem wir es zu tun hatten. Er schien so normal zu sein. War er aber wohl doch nicht, oder?
    Wir hätten nie gedacht, dass er ein so außergewöhnlicher Mensch war.
    Das werden sie über mich sagen.
    Er spähte zu seiner Frau hinüber und sah die Zweifel und Qualen, mit denen sie immer noch kämpfte, als seien sie Lichtblitze in ihren Augen.
    Der Böse Wolf beugte sich zu ihr hinüber und nahm ihre Hand. Sie zitterte.
    »Ich glaube, ich habe aus meiner Arbeit ein zu großes Geheimnis gemacht«, sagte er. »Ein viel zu großes Geheimnis«, wiederholte er mit Nachdruck. »Du kennst mich so gut«, fuhr er mit einer dieser kleinen unerlässlichen Lügen fort. »Wahrscheinlich wäre es sinnvoller, wenn ich dich ein wenig mehr einbezöge. Du verstehst so viel vom Schreiben, du liebst Worte, und du kennst mich so gut, es wäre also nur von Vorteil, wenn du ein bisschen helfen würdest. Immerhin warst du schon immer mein größter Fan. Vielleicht solltest du mir bei diesem Buch auch ein bisschen zur Hand gehen. Du könntest so etwas wie eine Produktionsassistentin sein oder die inoffizielle Lektorin.«
    Er sah, wie seine Frau ein wenig den Kopf hob. Die Zuneigung, die aus seinen Worten sprach, zeigte deutliche Wirkung.
    »Wisch dir die Tränen ab«, sagte er und nahm aus einem Karton auf dem Beistelltisch ein Bündel Papiertücher, um ihr damit die Augenwinkel abzutupfen.
    Mrs. Böser Wolf nickte. Es gelang ihr, sein Lächeln schüchtern zu erwidern.
    »Aber ich weiß nicht so recht, wie ich dir …«, fing sie an, doch er zerstreute ihre Bedenken mit einer Handbewegung.
    »Mir fällt schon was ein«, sagte er.
    Er hievte sich aus seinem gewohnten Sessel hoch und setzte sich neben sie.
    »Ich bin froh, dass wir über das Ganze geredet haben«, sagte er. »Ich möchte, dass es dir bessergeht, und ich weiß, wenn du dir so viel Sorgen machst, ist das nicht gut für dein Herz.«
    »Ich hatte solche …« Wieder verstummte sie mitten im Satz.
    Angst? Zweifel? Sorgen?, dachte er. Dazu hattest du auch allen Grund.
    Er lachte, drückte ihr aufmunternd die Schultern und legte ihr, wie ein Zwölfjähriger beim ersten Date im Kino, locker den Arm um die Schulter. »Es ist schwer, mit einem Schriftsteller zusammenzuleben«, stellte er fest.
    Mrs. Böser Wolf nickte heftig.
    »Also«, sagte der Böse Wolf grinsend, »du hilfst mir dabei, sie umzubringen?«
    Das Wort »umzubringen« betonte er so, dass Anführungszeichen mitschwangen. Noch eine Lüge, stellte er fest.
Und dann können wir schauen, was im Fernsehen läuft.
    Mrs. Böser Wolf nickte.
    »Natürlich nur fiktiv«, fügte der Böse Wolf mit einem zufriedenen Lachen hinzu.

[home]
    29
    D er Polizist, der die Aussage von Rote Drei aufnahm, sah bei ihr Anzeichen einer Hysterie, doch mit dreiundzwanzig Dienstjahren auf dem Buckel und vierzehnjährigen Zwillingstöchtern daheim war der Sergeant an die schrillen Laute gestresster Teenager gewöhnt, auch wenn er heimlich davon träumte, dass sie über einen Lautstärkeregler verfügten, den er einfach ein wenig herunterdrehen konnte.
    Er schrieb sich Sätze in sein Notizbuch wie
Ich hab sie springen sehen
und
Plötzlich ist sie über dem Brückengeländer verschwunden
und
Eben stand sie noch da, und einen Moment später war sie einfach weg,
Aussagen, die Jordan unter Schluchzen hervorstieß. Er

Weitere Kostenlose Bücher