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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ein »Aber« heraushörte.
    »Garantieren können wir nichts«, räumte die Frau ein.
    Entferntes Kinderlachen drang durch die Wände. Karen vermutete, dass es aus einer Tagesstätte über ihnen kam.
    »Wie meinen Sie das?«
    Die Frau lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück und wippte entspannt, während sie Karen aufmerksam beobachtete, um sich ihre Reaktionen nicht entgehen zu lassen.
    »Ich bin gesetzlich verpflichtet, das zu sagen.«
    »Aber das ist nicht alles, stimmt’s?«, fragte Karen.
    Die stattliche Frau seufzte. »Hier im
Safe Space
sind wir nur drei Blocks von der Polizeistation entfernt. Sie ist dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr rund um die Uhr besetzt. Bei einem Notruf aus unserem Haus ist die Polizei in weniger als neunzig Sekunden da. Wir haben eine Übereinkunft mit der Polizei. Es gibt ein Codewort, das alle Beamten der Station, unsere Mitarbeiter und unsere Klienten kennen – es bedeutet, dass ein Mann aufgetaucht ist und sich offensichtlich gewaltbereit verhält; darauf reagiert die Polizei augenblicklich und schickt mehrere Beamte mit gezogener Waffe. Dieses System haben wir letztes Jahr nach einem Vorfall eingerichtet. Sie erinnern sich vielleicht?«
    Und ob, dachte Karen. Mehrere Tage lang beherrschte das Drama die Schlagzeilen: ein Mann, die von ihm getrennt lebende Frau, zwei Kinder im Alter von sechs und acht Jahren – und drei Polizisten. Am Ende der Schießerei waren die Frau und einer der Polizisten tot sowie eines der Kinder schwer verletzt. Der Ehemannn versuchte, sich das Leben zu nehmen, hatte jedoch alle Kugeln in seinem Revolver verschossen, und so kniete er, die Waffe im Mund, auf dem Bürgersteig und drückte immer wieder vergeblich ab, bis er in Handschellen weggeführt wurde. Das Gerichtsverfahren in dem Fall war noch nicht abgeschlossen. Der Mann plädierte auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit.
    »Meine Freundin macht sich wegen der Neigung ihres Mannes zur Gewalttätigkeit Sorgen«, sagte Karen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Das klingt wie ein kleiner Schnupfen«, fügte sie hinzu. »Der Mann ist schlicht und ergreifend brutal. Er hat sie immer wieder geschlagen und übel zugerichtet. Von blauen Augen bis zu Knochenbrüchen. Er hat ihr damit gedroht, sie umzubringen. Sie weiß einfach keinen Ausweg.«
    »Dafür sind wir ja da«, sagte die stattliche Frau. Karen merkte, dass in ihren eigenen Worten aufrichtige Wut mitschwang, die sich gegen einen Unbekannten richtete, ein Phantom, aus dem sie in ihrer frei erfundenen Version einen gewalttätigen Ehemann gemacht hatte, vor dem die Frau – ihre Freundin – zusammen mit ihren beiden kleinen Kindern flüchten wollte, bevor er sie tötete. Sie wusste, dass die Leiterin von
Safe Space,
für die diese Geschichte Alltag war, nicht allzu viele Fragen stellen würde.
    »Wir hätten es demnach mit drei Personen zu tun, Ihrer Freundin und den Kindern …«
    »Die Kinder können offenbar zu nahen Verwandten, wo sie sicher sind. Seine Frau dagegen wird der Kerl bis ans Ende der Welt verfolgen, wenn es sein muss. Er ist besessen und unzurechnungsfähig …«
    »Ich weiß nicht, ob es ratsam ist, die Kinder von der Mutter …«
    »Die Kinder sind ihm egal, sind sowieso nicht von ihm, sie wären ihm lediglich im Weg, wenn er sich an ihr rächen will. Gefährlich ist es nur für meine Freundin.«
    »Verstehe. Ist er bewaffnet?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich schon.«
    Karen fragte sich, über was für ein Waffenarsenal der Böse Wolf verfügte. Handfeuerwaffen. Gewehre. Schwerter. Messer. Bomben. Pfeil und Bogen. Gift. Steine und angespitzte Stöcke. Rasierklingen. Seine Hände. Alle konnten tödlich sein. Jede davon konnte er für die drei Roten vorgesehen haben.
    »Und Ihre Freundin? Besitzt sie eine Waffe?«
    Karen dachte an den Revolver von Rote Zwei. Sie fragte sich, ob sie überhaupt herausfinden würde, wie man ihn lud, zielte und schoss.
    Das Töten selbst, um das es dabei ging, wollte sie gar nicht erst in Betracht ziehen.
    »Nein«, sagte sie.
    Die Leiterin legte eine Pause ein. »Eigentlich darf ich das nicht sagen.« Sie senkte die Stimme, beugte sich vor und fuhr fast im Flüsterton fort: »Aber ich werde nicht zulassen, dass je wieder so etwas wie letztes Jahr passiert.«
    Sie hob die Hand und legte eine große halbautomatische Pistole auf den Schreibtisch. Sie war schwarz und herzlos. Karen starrte sie einen Moment an und nickte.
    »Da fühlt man sich doch schon bedeutend besser«, sagte sie mit

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